Dienstag, 6. Oktober 2009

Ruíz Tangle

Geboren in Barcelona 1979, gestorben in Barcelona 1997, hinterließ Ruíz Tangle mehr als tausend Gedichte und Gebrauchsanweisungen zum urbanen und suburbanen Widerstand auf unzähligen Papierzetteln, Pflastersteinen sowie auf Häuserwänden im gesamten Großraum Barcelona. Eine kleine Auswahl ihrer Texte ist bereits zu Lebzeiten (1996) in dem Verlag "la comunitat" in Tarragona erschienen - die Veröffentlichung von Texten einer bekannten Protagonistin der als halblegal eingestuften "Box-Casa-Bewegung" in einem derart gediegenen Verlag löste damals noch einiges Aufsehen und Empören in konservativen und nationalistisch-katalanischen Kreisen aus (die Box-Casa-Bewegung wendet sich nicht nur gegen das Buch als "privatistisches, reduktionistisches und faschistisches, weil brennbares" Medium der Literatur, sondern vermischt auch in ihren Texten mit großem Geschick kastillische Umgangssprache, französischen Theoriejargon und das in Katalonien von offizieller Seite protegierte Hoch-Katalán.) Heute ist die Autorin weitgehend vergessen. Eine dringend erforderliche Veröffentlichung ihrer gesammelten Werke gilt selbst unter ihren wenigen ergebenen Lesern (meist jüngere Anhänger der Box-Casa Bewegung, die Ruíz Tangle noch persönlich gekannt und Anfang der 90er Jahre auf ihren Streifzügen durch Barcelona begleitet hatten) als aussichtsloses Unterfangen, da durch den Abriss und die Umgestaltung ganzer Stadtbezirke im Zuge der Vorbereitung auf die Olympischen Sommerspiele 1992 in Barcelona vor allem das visionäre Frühwerk und die eigentlich politischen Texte der mittleren Schaffensperiode von Ruíz Tangle unwiderbringlich zerstört worden seien.

1 Kommentar:

  1. Lieber Hannes, vielen Dank, dass du Ruíz hier aufgenommen hast. Sie ist eine wunderbare Künstlerin gewesen. 2001 habe ich ihr Gedicht "Para los medios huérfanos" an der Außenwand einer Backstube in der Carrer Nou de la Rambla entdeckt - es war vom Ruß der Autos beinahe unleserlich geworden, aber ich verstand, dass es um Liebe ging und um die Sprengung von Krankenhäusern, Zufahrtsstraßen und Wasserwerken.

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