Die „Historische Einleitung“ des 1880 erschienenen Buches Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande von Reinhold Röhricht und Heinrich Meisner gibt die typischen Stationen der „halb vergessenen Pilgerreisen“ der Deutschen (und anderer Europäer) in den Jahren 1300 bis 1600 wieder: Nach der Schiffsreise von Venedig nach Jaffa machten die Pilgerkarawanen auf dem Weg nach Jerusalem Halt in der Stadt Ramla. Hier teilte man ihnen auf italienisch und lateinisch eine Reihe von Verhaltensregeln mit:
1) Alle, welche ohne Erlaubnis des Papstes ihre Pilgerfahrt angetreten haben, sind exkommuniziert, können aber im heiligen Land Absolution durch den Guardian des Zionsklosters empfangen. 2) Es ist den Pilgern streng verboten, ohne türkischen Führer umherzugehen, 3) sich für Unbilden zu rächen, 4) über türkische Gräber hinwegzulaufen, 5) Stücke vom heiligen Grab abzuschlagen, 6) Mauern und Wände durch Anschreiben von Namen oder Anmalen von Wappen zu beschmutzen, 7) ohne Ordnung in der Prozession zu gehen. 8) Ebenso darf der Pilger nicht lachen oder Freude laut werden lassen, 9) nicht mit Türken reden, lachen oder scherzen, 10) keine Frau ansehen, 11) keiner Frau auf ihren Wink hin folgen, 12) keinem Türken Wein geben. 13) Außerdem soll jeder seinen Eseltreiber behalten, 14) sich und andere nicht in Bezug auf Herkunft oder Stand verraten, 15) sich keine weißen Tücher um den Kopf schlagen und sich nicht weiß kleiden, 16) keine Waffen tragen, 17) keinem Türken trauen, 18) jede Trennung von den übrigen Pilgern meiden, 19) keinen offenen Wein trinken, 20) mit keinem Türken handeln, 21) sich niemals mit ihnen zanken, 22) keine Moschee besuchen, 23) keinen Türken verspotten, 24) den Guardian nicht für eine Verzögerung verantwortlich machen, 25) alle Gebühren ruhig zahlen, 26) dem Hospital eine kleine Summe für den Baufond spenden, 27) ebenso dem Konvent der Franziskaner vom Zionsberge.
Dass es ohne Regeln nicht ging, erklärt sich zum Beispiel aus den Berichten über die Unsitten, die sich beim Besuch der Grabeskirche entwickelt hatten: An die Fersen der Pilger, so berichten Röhricht und Meisner, hefteten sich Krämer und Kaufleute, die Stoffe, Schmuck, und Reliquien von heiligen Stätten sowie Getreide und Esswaren anboten. Das Innere der Kirche habe einem Jahrmarkt geglichen: Die Pilger feilschten, unterhielten sich lautstark über Politik, und stritten sich; oder sie hockten zusammen und aßen oder schliefen. Priester schlugen sich um die Albe, und sobald einer die Messe gelesen hatte, stürzten fünf oder sechs auf ihn ein und beschimpften ihn, weil sie ihm diese Ehre missgönnten.
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