Mittwoch, 2. Juni 2010

Eine Parole


















Uneinigkeit in der Frage, ob es einen Gott oder doch besser keinen Gott geben solle, ließ die friedlichen Studentenproteste in einen verlustreichen Gotteskrieg umschlagen

Leipzig. Seit mehreren Wochen liefern sich mono- und atheistische Studierende größtenteils tödliche Auseinander-setzungen rund um den MDR-Turm. Ein Großeinsatz der Polizei, gemeinschaftlich veranlasst von Oberbürgermeister Burkhard Jung (evangelisch) und Ministerpräsident Stanislaw Tillich (katholisch), führte lediglich zu einer Verschärfung der Lage. In der noch immer nicht fertiggestellten Universitätskirche stapeln sich studentische Leichen. Der Innenstadtcampus ist wüst und öd. Ein Geruch wie von fauligem Käse wabert durch die Mädlerpassage.


Die Warmhaltetheken in der Mensa am Park, wo früher rund 3000 Essen pro Tag ausgegeben wurden, haben Staub angesetzt. Chefkoch Armin Beinlich versteht die Welt nicht mehr: "Früher haben wir hier täglich fünf verschiedene Pastasorten angeboten, dazu wechselnde Soßen, mehrere Fleischgerichte, ein Fischgericht, ein vegetarisches Gericht, ein veganes Gericht, Spezialitäten aus dem Wok und vom Grill und ein großes Salatbuffet. Heute traut sich keiner mehr zu uns rein. Wir liegen mitten im Sperrgebiet!"


Auch Rektor Franz Häuser ist entsetzt. Wie er anlässlich der heutigen Pressekonferenz bekannt gab, hat sich die Studentenschaft so stark dezimiert, dass auf einen einzigen Studierenden jetzt vier Professoren kommen - mit steigender Tendenz. Studierende, die überlebt haben, wandern an andere Universitäten ab oder suchen sich einen Ausbildungsplatz. Selbst die sofortige Einführung einer Immatrikulationsprämie in Höhe von 500€ pro Semester konnte diese Entwicklung nicht stoppen.


Mittlerweile gibt es in der Südvorstadt kaum eine WG, in der nicht wenigstens ein Zimmer verwaist ist. "Wir alle haben in diesem Krieg Mitbewohner verloren", sagt Anja (21), die letztes Jahr für ihr Geographiestudium von Vockerode nach Leipzig zog. "Einige meiner Freunde wohnen jetzt allein auf 120qm, sie haben zwei Toiletten und zwei Balkone. Abends versuchen sie jemanden zu finden, den sie mit nach Hause nehmen können, aber er ist ja keiner mehr da. Es sind ja alle weg." Wie sie selbst zur Gottesfrage steht? Anja zögert. Dann sagt sie, dass sie darüber lieber nicht sprechen möchte. "Man muss vorsichtig sein", fügt sie entschuldigend hinzu.


Thilo (28) hingegen geht ganz offen mit seiner religiösen Sozialisation um. Er sei zwar konfirmiert, Gott habe in seinem Leben aber nie eine Rolle gespielt. Früher war Thilo im Asta, organisierte die große Demonstration vor dem Neuen Rathaus. Heute schleicht er sich nachts ins Magazin der Universitäts-bibliothek und liest dort stundenlang. Er will wissen, was seine Kommilitonen in den Blutrausch trieb: "Falls der reguläre Studienbetrieb irgendwann wieder aufgenommen wird, widme ich mich ganz der Aufarbeitung der historischen Situation, die wir jetzt gerade erleben."

1 Kommentar:

  1. Judith Keller (24), Studentin hallugenes Schreiben, möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die Aussage in diesem Artikel, dass es in der Mensa immer fünf verschiedene Pastasorten gegeben hätte mit fünf verschiedenen Sossen, mehreren Fleischgerichten, einem Fischgericht, einem vegetarischen Gericht und einem veganen Gericht, Spezialitäten aus dem Wok und vom Grill und ein grosses Salatbuffet, so nicht stimmt.

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