Thilo
Sarrazin
Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet
1. Betritt ein Schauspieler die
Bühne, so hört er auf, sich selbst zu spielen, sondern spielt noch mal jemand
anderes, was aber nur ein gradueller Unterschied ist.
2. Wer auf der Bühne jemanden
schlägt, schlägt wirklich jemanden.
Es sei denn, er tut nur so und haut
in die Luft, so dass es nur so aussieht. Aber dann schlägt er ja niemanden, und
das ist ja nicht gemeint. Also gilt weiterhin: Wer auf der Bühne jemanden
schlägt, schlägt wirklich jemanden.
Und das ist nicht gut.
3. Auf der Bühne kann nach Belieben
Blut und/oder Sperma verspritzt werden, allerdings putzt derjenige, der die
Sauerei veranstaltet hat, diese danach auch auf.
4. Zerstört ein Schauspieler im
Spiel auf der Bühne einen Gegenstand, so ist es nicht die Aufgabe der
Bühnenarbeiter, diesen bis zur nächsten Vorstellung zu reparieren, sondern
seine eigene oder die des Regisseurs. Falls das Reparieren des Gegenstandes zu viel
Arbeit macht, kann auch ein neuer gekauft werden.
5. Verliebt sich ein Schauspieler
während der Proben oder bei der Aufführung in sein Gegenüber, das gerade auch
eine Rolle spielt, so tut das den Gefühlen keinen Abbruch.
6. Wenn ein Stuhl auf einer Bühne
steht, dem man die Lehne abgesägt hat, so stellt er einen Hocker dar.
7. Tiere und Pflanzen müssen auf
der Bühne mit Respekt behandelt werden, auch wenn das Stück noch gar nicht
angefangen hat.
8. Figuren mit
Migrationshintergrund werden wie alle anderen von Schauspielern gespielt.
9. Ein Feuer auf einer Bühne
benötigt unter anderem Sauerstoff.
10. Die Bühne endet dort, wo sie
für beendet erklärt wird.
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