Freitag, 29. Oktober 2010

Wir übernachteten in Sachsen Anhalt in einem bald verlassenen Dorf (nur Jägerei, manchmal noch)







DIE ALTE HEDWIG.

Der Schorsch ist ja scho lang ford.

DER ALTE HERR RÖLLECKE.
War das Ihr Gatte?

DIE ALTE HEDWIG (macht eine wegwerfende Handbewegung).

Lang is der schon ford, und die Marga is ford, und der Fritz is ford, und der Erich is ford, und die Wilma is ford, und mei Baadla, die Irene, is aa ford.

DER ALTE HERR RÖLLECKE.
Das ist ja eine ganze Litanei von vermutlich traurigen Todesfällen, die sie mir da aufzählen.

DIE ALTE HEDWIG.
Die annern sind aa ford.

DER ALTE HERR RÖLLECKE (ist ratlos).
Aha.

DIE ALTE HEDWIG.
Ich brauch kan.


(Aus: Tankred Dorst - Ich bin nur vorübergehend hier)

Mittwoch, 27. Oktober 2010

Oh,

wo sind sie? Wo?

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Was in Stuttgart


"Als am vergangenen Freitag früh gegen ein Uhr


...

noch tausende Menschen da, es geht ein Empörungsheulen durch die Menge, wie ich es noch nicht gehört habe, viele Frauen weinen, manche raufen sich die Haare

...

auch alteingesessene Stuttgarter Bürger attackiert, welche keinerlei Anstalten machten, die Polizei zu behelligen, sondern die nur fassungslos da standen und mit ansahen, was geschah (wer anderes behauptet: ich habe es gefilmt und fotografiert), man sah anschließend

...

aus dem Gewimmel im Tal steige ich am Freitagabend hinauf

...

Wer erfahren möchte, dass den Bildern niemals zu trauen ist, dass man dabei sein muss, wenn etwas geschieht, und dass man selbst dann nicht sicher sein kann, was man gesehen hat, der muss wieder mal ins Theater, ins echte."


(Quelle: DIE ZEIT, 7. Oktober 2010)

Samstag, 9. Oktober 2010

Äußere Handlung

Vergebliche Schnüre

verschwinden im Boden. Es ist

ein Versteck, eine

unerträgliche Härte,

und ich -

kann auch ein Lied hören

ein Gerät im finsteren Tal

meiner Träume. Ausrufe,

Metallgesänge im Boden -

ich muss es so sagen:

Granatapfelbäume

im Süden meiner Erinnerung

Eine andere Vorstellung

Aufzüge

unter dem Feldern

Wildwanderwege im Theater

der Nacht.

Sonntag, 3. Oktober 2010

"Marsch auf Berlin" (Nachtrag vom 2. September 2010)

(Von: http://www.berliner.de/artikel/marsch-auf-berlin)

(...)

Wer seid ihr?
Wir sind sechs Leute, Roman (Ehrlich), der mit uns studiert hat und der vor zwei Jahren einen Film über das Literaturinstitut gedreht hat, und seine ehemalige Mitbewohnerin, die den Film damals mit ihm gemacht hat. Beide laufen mit und werden den Marsch filmen. Ansonsten kommen noch Sascha, Wolfram und Judith mit, alle Studenten oder ehemalige Studenten am Literaturinstitut in Leipzig. Das sind 6 Leute, oder?

Wie genau sieht eure Strecke aus?
Geplant ist ein Weg von Leipzig nach Berlin. Wir laufen Luftlinie, das heißt, durchs Gebüsch, über Zäune, durch Gewässer, wir befolgen keine Wege. Bis zum 17. muss es vorbei sein. Wir beginnen am Donnerstag mit einem gediegenen Festakt im Palmengarten in Leipzig. Es gibt klassische Musik und die Eurovision wird abgesungen - die Presse ist auch eingeladen, aber bisher hat sich noch keiner von denen gemeldet. Danach laufen wir direkt vom Festakt los nach Krostitz, das ist unser erstes Tagesziel.

Warum all das?
Wir wollen dieses Gebiet erschließen. Diese Bewegung nach Berlin, für alle Leute, die so was machen wie wir, also Kunst sag ich mal, die ist so stark. Alle fahren da hin, und fahren durch dieses unbekannte Land, was wirklich irgendwie keiner kennt, an manchen Stellen zum Beispiel in Brandenburg, da kommt man wirklich in solche Bereiche da war – zumindest von uns – noch keiner, und wir, als Leute, die da immer mit dem Zug durchfahren und da auch alle hinziehen wollen und werden, dachten uns, wir müssen jetzt dieses Recht erwerben in Berlin sein zu dürfen. Und natürlich in die Fußstapfen anderer treten, allen voran Johann Wolfgang von Goethe, Tarry Tollheimer und Auguste de Aquitaine und natürlich Theodor Fontane, und aller romantischen Wandersleute: uns selbst erfahren in der Natur. Wir vermuten, dass keine Natur da sein wird, sondern Leute, ein paar, und irgendwas müssen wir mit diesen Leuten dann machen. Überhaupt geht es um Leute, um uns nämlich, also um unsere Freundschaft und dann eben die Freundschaft aller.

Der Marsch als programmierter Ausnahmezustand?
Es geht um die Realität. Wenn man sich für die Kunst entscheidet, kann man bestimmte Sachen immer besser, je nachdem was man macht, man wird immer besser und irgendwann normalisiert sich das als Zustand. Man fängt an, damit klarzukommen und dann kann man das immer weiter so abernten und irgendwann passiert dann nichts mehr. Das wollen wir jetzt schon verhindern. Was wir da machen ist nach außen hin erstmal nur reine Handlung. Es ist nichts planbar. Es gibt keine vereinbarten Höhepunkte.

Und was habt ihr unterwegs vor?
Das wird sehr anstrengend, darum hoffen wir auch, dass es weniger als zwei Wochen dauert:
Wir müssen unterwegs ja so viel Kunst machen, uns bemerkbar machen, riesige Haufen bauen, jeden Tag, an jeder Stelle wo wir waren, übernachten in Zelten, wir kennen niemanden da, wir sprechen Gedichte an einen Busch, reden über die anderen und alles, alles wird gefilmt. Das ist ein Test für diese Freundschaft, wo die Hygiene schlecht sein wird und die Nahrungsmittelversorgung und jeder von uns es hasst in Zelten zu schlafen. Dann ist da auch noch diese Luftlinie, und ein Wagen, den wir ziehen müssen…

Was sind die Gesetze?
Es muss jeden Tag etwas passieren. Der Marsch muss von Anfang bis Ende gegangen werden. Wir waschen uns nicht. Wir übernachten nie auf Campingplätzen. Wir nehmen keine Gefälligkeiten an. Uns darf niemand helfend entgegenkommen. Unterbrechungen der Reise gibt es nicht. Wenn uns etwas stört, müssen wir es uns immer sofort sagen, vor allen, damit da nichts gärt. Am Ende entscheidet aber jeder selbst, ob er sagt: „Ich habe keine Lust mehr auf diesen Kunstzwang.und will jetzt irgendwo essen gehen“ oder „Ich will, dass du dich wäschst“. Und muss es dann aushalten, wie die anderen darauf reagieren.

„Marsch auf Berlin“ klingt programmatisch. Was soll hier proklamiert werden?
Marsch auf Berlin war erst nur ein Arbeitstitel, den Wolfram so beschlossen hat. Wir haben das alle akzeptiert und nicht hinterfragt, das müssen wir jetzt wohl tun, wo es dafür schon zu spät ist. Wolfram wollte da glaube ich das faschistische Element betonen, das in Kunst immer drin ist, das übersetzt sich ganz gut in diese Wanderung. Man hat einen Plan, man baut sich Regeln auf, man zieht das durch, auch wenn das bald lebensfeindlich und unerträglich werden muss. Ich denke, wir diskutieren den Namen noch mal auf dem Weg.

Die Pressemitteilung kam vom Kassler Edikt. Was um alles in der Welt hat Kassel damit zu tun?
Das Kassler Edikt ist eine andere Sache. Kassel läuft sozusagen immer parallel. Kassel ist der Ort, der symbolische Ort, an den alle Menschen die Kunst machen, irgendwann hinkommen sollten. Dem Kassler Edikt wird man sich bald anschließen können. Es verpflichtet die Verfasser und Verfasserinnen von Texten, in Kassel nicht bloß zu funktionieren. Kassel ist der Ort, an dem nicht funktioniert werden muss. Kassel ist also der Ort für das Unfertige, wo man sich zeigen muss mit Sachen, die noch nicht reibungslos einzuordnen sind, der Ort für die unsicheren Texte, die man, wenn man sich dem Edikt anschließt, verpflichtet, dort vorzulesen. Es ist ein Gesetz, das immer gilt, auch wenn der Ernstfall nie eintritt, man also nie in Kassel liest. Es ist ja auch ein Recht. Man braucht so ein Kassel, das ist gut für jeden.

Und warum marschiert ihr nicht nach Kassel?
Ich glaube beim Marsch ist der Schwerpunkt eher auf diesen ganzen umgebenden Umständen des Schaffens, während Kassel, das ist eher das Schaffen selbst. Beides hängt natürlich immer irgendwie zusammen, aber der Marsch etabliert erstmal die Grundlagen.

Wie kann man mitmarschieren?
Es wird getwittert und geschrieben, wir machen diesen Film und am Ende ein Buch, hinterher, mit allem, was unterwegs dazugekommen ist

Ihr habt diesen Drang das alles zu manifestieren. Was denkst du, was das Interesse der anderen an diesem sehr persönlichen Vorhaben sein könnte?
Irgendwie gibt es dieses ganz Private ja gar nicht. Auch wenn man für sich entscheidet, sich irgendwie in seinem Leben einzurichten, das gilt für egal wen, sollte man das doch immer auch so tun, als würde es jemand mitbekommen, als würde man es nicht ganz allein entscheiden. Das klingt vielleicht streng, hat aber auch was Schönes, es hat mit Verantwortung zu tun. Die Kunst ist letztlich ja nur ein öffentlicherer Ausdruck eigener Vorlieben und Obsessionen, des Privaten, des eigenen Lebens, der gelingen kann, oder scheitern, aber dann immerhin eine Prüfung erfahren hat nämlich durch das Leben, vermute ich. Wichtig ist, alles zu machen. Es muss nicht funktionieren. Es muss irgendwie vielleicht nachvollziehbar und verständlich sein, aber es geht nicht darum zu sagen, was für alle relevant ist. Es ist aber wichtig rauszugehen und sich zu konfrontieren, zum Beispiel mit der Landschaft in Brandenburg, und den Leuten, die das vielleicht gar nicht verstehen und der Landschaft, die schreit, weil sie uns loswerden will. Und dann kann man vielleicht zurückkehren. Natürlich ist das auch ein bisschen verlogen, weil es ein Urlaub bleibt. Aber es ist ein Urlaub von einem ohnehin ungewissen Lebensentwurf.
Die Gemeinschaft, für die man eine Verantwortung hat, kann da auch ein Trost sein. Zu wissen, dass da andere sind. Die Reise soll das vielleicht auch noch mal stärken für uns, als Schreibende, die wir uns da im Studium zufällig kennen gelernt haben als Schicksalsgemeinschaft und Glück hatten. Damit diese Gemeinschaft, auch wenn wir danach nicht mehr zusammen studieren werden, zumindest im Kopf, bestehen bleibt.

Was ist deine Hoffnung für die Reise?
Ich hoffe, dass wir uns danach noch mögen.
Wir werden irgendwo ankommen in Berlin, in der Stadt stehen, und es wird vorbei sein. Vielleicht gehen wir dann noch gemeinsam ein Schokoladenfondue essen oder eins mit Käse. Das würde mir sehr gut gefallen!