Montag, 12. März 2012

Die Seenotrettungsübung am Nachmittag verlief ohne Komplikationen. Alle Passagiere mussten sich mit Schwimmwesten bekleidet in einem bestimmten Abschnitt des Schiffes einfinden. In meiner Gruppe traf ich niemanden, den ich kannte, bis auf die junge Offizierin, die auf dem Sonnendeck die Leute beruhigt und die ich am Abend zuvor im Restaurant „Attikas Licht“ gesehen hatte. Sie führte die Übung mit uns durch, zählte die verschiedenen Alarmsignale auf, erklärte die Funktionsweise unserer Westen und wies uns ein, wie im Falle eines Falles die Evakuierung auf die Rettungsboote vonstatten zu gehen hatte. Die ganze Zeit über quälten mich Einbildungen sexueller Art, ich stellte mir nackte Frauen und Mädchen vor, die lediglich Rettungswesten trugen und hilflos in einem dunklen Meer schwammen, Paare, die in den heruntergelassenen Rettungsbooten miteinander vögelten, Schiffsoffiziere, die sich die weißen Uniformen vom Leib rissen und auf der Kommandobrücke eine Orgie zelebrierten, ich sah mich in einem weiteren Restaurant ängstlich sitzen, das wie ein SM-Studio eingerichtet war, mit Haken zum Aufhängen, Schaukeln und Folterbänken, die mit schwarzem Leder bezogen waren, ich sah riesige Penisse, die aus den Schornsteinen des Schiffes heraus- und wieder hineinfuhren, verschiedene Regen, die auf das Schiff herniedergingen (ein Regen aus Menstruationsblut, ein Regen aus Tränen, ein Regen aus Sperma, ein Regen aus Schweiß), Johnny, der einsam in der Schiffsbibliothek an einem Regal stand und seinen Penis in den Zwischenraum zweier Diktatorenbiografien gesteckt hatte („Leben und Sterben Nicolae Ceaușescus“ von Brian Dippoldis und „Der trostlose General. Argentinien unter Jorge Videla“ von Epefania Cueva Dominguez), die drei Pools auf dem Sonnendeck, in denen sich Menschen räkelten (der erste Pool randvoll mit Menstruationsblut, der zweite Pool randvoll mit Maracujasaft, der dritte Pool randvoll mit Sperma), die Joysticks der Automaten in der Spielhalle, die zu glänzenden Dildos geworden waren (oder mir nur deshalb in den Sinn kamen, weil sie sich eben überhaupt nicht verändert hatten, weil sie schon immer Dildos gewesen waren, worüber aber niemand zu sprechen wagte), liebestolle, umnachtete Wale, die ihre wuchtigen Körper gegen den Schiffsrumpf schlugen, und eine Pokerpartie im Casino, bei der nicht um Plastikchips, sondern um Menschen gespielt wurde. Dann war die Seenotrettungsübung auch schon wieder vorüber, und alle kehrten fröhlich dahin zurück, wo sie hergekommen waren.

Strausberg














'Man weiß allerdings, dass die Fische auch in Seen und Flüsse gelangen können, wenn es keinen direkten oberirdischen Wasserzulauf gibt. Sie sind in der Lage, über das Grundwasser in Seen und Parkteiche zu wandern, und bei nassem Wetter schaffen sie es sogar, längere Strecken über Land zurückzulegen. Auf einer Wiese bei Strausberg fand sich eines Nachts ein Aal im Netz eines Vogelbeobachters, mit dem dieser eigentlich Lerchen fangen wollte. Der Angler am Landwehrkanal allerdings blieb skeptisch. Über ein Wiese, meinte er, kämen die Aale schon, aber heil über die Straße, da hätte er doch seine Zweifel. Wer aber auf einem Fischmarkt einmal einen Aal einem Händler von der Waage springen und anschließend auf dem gepflasterten Boden rasch das Weite suchen sah, wird den Aalen auch in der Stadt so einiges zutrauen.'















Cord Riechelmann - Wilde Tiere in der Großstadt, S. 140

Samstag, 10. März 2012

Steglitz




'Eichelhäher verfolgen oft auch die Tätigkeiten der menschlichen Anwohner sehr genau. Oft zeigen sie - aus bisher nicht geklärten Gründen - eine spezielle Aufmerksamkeit für eine bestimmte Person. Im Garten eines Hinterhauses in der Zimmermannstraße in Steglitz platzierte sich jeden Morgen, wenn der Bewohner des dritten Stocks seinen Computer anschaltete, einer der beiden dort ganzjährig ansässigen Häher auf dem am Balkongeländer befestigten Kräuterkasten. Mit geradem Blick schaute er den Auserwählten an, beugte sich dabei zu Begrüßung nach vorn, als würde er ihm zunicken, und ließ ein kläglich klingendes "aaar-ooor" folgen, um im nächsten Moment einen Büschel Basilikum oder Rosmarin aus dem Kasten zu reißen und davonzufliegen. Nicht immer aber war der Eichelhäher so friedlich gestimmt. Manchmal landete er auch auf dem Balkongeländer und schrie den jungen Mann an seinem Schreibtisch unvermittelt und ziemlich laut an.'


Cord Riechelmann - Wilde Tiere in der Großstadt, S. 80

Dienstag, 6. März 2012

Sul concetto di volto nel figlio di Dio

"Die Zuschauer in Berlin zeigten sich, laut dpa und RBB, über den Fäkaliengeruch und 'die Handlung zwar teils schockiert', hätten schließlich aber kräftig Beifall geklatscht."

Freitag, 2. März 2012

Nachtrag zum Post von Sascha Macht vom Donnerstag, den 17. Februar 2011


Konkurrenz Glocke Konkurrenz

die Tauber der Fluss

ist gefüllt mit Fischen

Ich bin wie du


In Weikersheim

ist das Wasser verborgen,

die Substanzen

drängen sich auf


Nur das Material widersteht

Das Zirpen der Schnecken


Wir sinds

am W,

an den Wänden

Wir sehen uns an


„Der Fremdenverkehr spielt in Weikersheim

überhaupt keine Rolle“ (Der Zeitgeist)


Die Schüchternen siegen


Zeitangabe SCHLAMMKOFFER

MÜLL

Die Straße vergeht sich

an ihrem Leben


2011 am 21. Juli um 18 Uhr 07