Samstag, 5. Dezember 2009

"'Wollen wir vielleicht noch einmal..?' fragte der Chinese,

ohne die Frage zu vollenden. Da niemand antwortete, schaltete er den Verstärker ein. Zuerst vernahm ich ein dumpfes Brausen, Knattern, dann einige unangenehme, schrille, rasch abreißende Pfiffe. Plötzlich erklang aus dem Lautsprecher ein Melodie, düster, erhaben, gewaltig und doch voll Angst und tiefstem Schrecken. Sie erweckte keine Furcht, denn sie war es selbst. Ein Entsetzen lag in ihr wie in den Riesenskeletten jurazeitlicher Ungeheuer, die in grausigem Kampfe erstarrten, als sie der Strom glühener Lava erfaßte und für Ewigkeiten in ihrer Haltung unaussprechlicher Schmerzen festhielt. Die Musik glich den riesenhaften Knochen, die einmal Rückgrat und Rippen waren, die nicht mehr dem Leben angehören und doch noch nicht zu Kalkfelsen geworden sind - Teile einer toten Welt. Und so tönte auch diese Melodie: seltsam, geheimnisvoll, unheimlich - und doch so nahe, daß ich an manchen Stellen vermeinte, sie müßte von Menschen hervorgebracht sein. Ich wollte schreien: Genug! Genug! Haltet es an! - aber ich vermochte den Mund nicht zu öffnen und lauschte weiter wie unter einem Bann, als betrachtete ich durch eine Glasscheibe die Todeszuckungen eines Ungeheuers von unbegreiflichen Formen, von dem ich nichts wußte, als daß es umkam… Noch einmal dröhnte der schauerliche Chor auf, dann war es still. Nur der eingeschaltete Lautsprecher summte noch.

Wir alle verharrten in tiefem Schweigen. Unter uns war das feine Geräusch des tätigen Mechanismus zu hören.

Es verging eine geraume Zeit, ehe ich mich zu der Frage aufraffte: 'Was war das?'"

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