(ich sah etwas, das ich gern verschweigen möchte, aber ich kann nicht, nein nein, ich kann doch nichts verschweigen: Meine Eltern, meine Geschwister, meine Großeltern, die Brüder meines Vaters, meine Cousinen, die Schwager und Schwägerinnen – sie alle hatten sich eingefunden, in Sonntagskleidung, auf dem Marktplatz dieser Stadt, zwischen dem Jahrmarktsriesenrad und der Bude einer dicken Zuckerwatteverkäuferin namens Pallas, deren Gesicht die Züge eines mordlüsternen Ziegenhirten aufwies, eine große Gruppe von fast fünfzig Personen, zu einem Pulk vermischt, eine Masse von Barbaren und Hohlköpfen, törichtes Blut, eine Rotte des Schwachsinns und der Eitelkeit – und zwischen ihren Leibern sah ich mich hin- und her huschen, meine dünne Kindergestalt zwischen Hosen und Röcken – sie, die mich liebten, schlugen mit ganzer Kraft auf denjenigen in ihrer Mitte hinein, ich hörte mein verzweifeltes Quieken, „Io-ii! Io-ii!“, ausgestreckte Arme mit Fäusten daran hoben und senkten sich immer und immer und immer wieder, das Gelächter der Mädchen, der alten Männer und Frauen – sie schlugen, sie schlugen, sie schlugen mich ja! Und dann, plötzlich und wie auf ein Zeichen, das allen, nur nicht mir galt, stoben sie auseinander, wie auf einen Steinfußboden geworfene Getreidekörner, schwirrten, todessehnsüchtigen Schmeißfliegen gleich, zwischen den Fahrgeschäften umher und sammelten sich schließlich vor dem Eingang der Geisterbahn, unter den blitzenden Augen eines riesigen, fahlen Pappmachéskeletts, aus dessen Lautsprechern jemand inbrünstig und unentwegt „Nur dem Abgrund entspringt das Neue, die blutige Frucht Gehennas!“ über den Platz brüllte – dort betrat meine gesamte Familie die unergründliche Dunkelheit des Gespensterkabinetts, die grüne Flügeltür mit der Aufschrift „Hereinspaziert, wir wollen Freunde sein!“ schloss sich krachend hinter ihnen, ich blieb allein zurück, ohne ihnen nachlaufen zu können, und Tränen, echte Tränen, liefen mir aus den Augen, salzige Rotze sammelte sich in meinem von zügelloser Trauer aufgerissenen Mund.)
Dienstag, 20. April 2010
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