Donnerstag, 18. Oktober 2012

Meine Drehpausenbegegnung mit Dudikoff



Michael Dudikoff hatte sich eine Selleriestange vom Buffet genommen. Er wirkte etwas einsam und verlassen, wie er da herumstand. Also ging ich auf ihn zu und begrüßte ihn und fragte, wie es ihm gehe.
Gut, sagte Michael Dudikoff, es geht mir wieder sehr gut. Ich habe inzwischen wieder zu einer großen Fröhlichkeit zurückgefunden, nach dem ich ja eine lange Krise hatte.
Was war denn?, fragte ich.
Ach, ich hatte wirklich keine gute Zeit, sagte er. Die letzten zwei Jahrzehnte bin ich wirklich durch ein tiefes Tal gegangen. Aber ich möchte Sie nicht mit meinem Kram belasten. Das ist wirklich nicht so wichtig.
Nein, sagte ich, Quatsch, tun Sie ja nicht. Was war denn los?
1989, sagte er, 1989 habe ich doch diesen Film gedreht, ‚River of death – Fluss des Grauens’.
Er sah mich an und machte eine lange Pause.
Keine Ahnung, sagte ich, kann sein, bestimmt habe ich ihn gesehen, ich kann mir nur die Namen von Filmen immer nie merken.
Macht ja nichts, sagte er, jedenfalls haben wir den in Südamerika gedreht. Es gibt da diese Szene wo ich nachts im Dschungel durch den Fluss schwimme und wate.
Michael Dudikoff machte eine Pause und sah mich fragend an.
Ich weiß das jetzt nicht mehr so genau, sagte ich, ich habe den Film wahrscheinlich damals gesehen, das ist ja schon lange her.
Ja, ist lange her, sagte Michael Dudikoff, ist lange her. Also jedenfalls haben wir diese Szene mehrmals drehen müssen, weil es Probleme mit der Beleuchtung gab. Ich musste da immer wieder durch diesen Fluss waten und schwimmen, mitten im nächtlichen Dschungel, und dabei muss ein kleiner Wurm in meinen Hintern eingedrungen sein, ein Parasit. Ich habe das bei dem Dreh selbst nicht gemerkt. Aber wenige Tage nach dem Dreh der Szene habe ich beim Kacken plötzlich festgestellt, dass mein Stuhl bläulich verfärbt war. Ich meine, ich hatte gar keine Beschwerden oder so, aber man erschrickt natürlich, wenn das auf einmal blau ist.
Das glaube ich, sagte ich.
Naja, sagte Michael Dudikoff, natürlich bin ich gleich zum Arzt. Der hat mich untersucht und geröntgt, hat dann aber ziemlich schnell festgestellt, dass ich eben diesen bestimmten Wurm im Darmtrakt habe. Er hat mir erklärt, dass er sich da eben an die Darmwand angedockt habe und da als Parasit nun lebe. Ich habe den Arzt natürlich gefragt, was man dagegen machen könne, und der Arzt hat mir gesagt, dass man nichts dagegen machen könne, allerdings sei das auch nicht weiter schlimm, schließlich habe man selbst keine Beschwerden, lediglich der Stuhl verfärbe sich eben bläulich, was ja aber nicht schlimm sei. Außerdem sei es sowieso so, dass der Wurm mit der Stelle im Darm irgendwann verwachsen würde zu einem Organismus, der Wurm und ich nach und nach also gewissermaßen ineinander aufgehen würden, womit sich das Problem ja dann sowieso löse. Ich war ziemlich geschockt, muss ich sagen. Ich habe das zwar erstmal so weggesteckt, aber auf Dauer hat mich das wirklich fertig gemacht. Ich bin einfach nicht auf den Gedanken klargekommen. Ich habe gedacht, ich muss doch der bleiben, der ich bin, ich bin doch Michael Dudikoff, das kann doch nicht sein, dass ich mit so einem Wurm zusammenwachse. Ich will Ihnen das im Detail ersparen, auf jeden Fall habe ich eine ziemliche Identitätskrise bekommen, Depressionen auch, das ging in den Neunzigern los und ging bis vor zwei Jahren, eine wirklich schwere Zeit. Ich habe auch keine Rollen mehr bekommen aufgrund der Depressionen. Aber als ich wirklich nicht mehr weiter wusste, ist mir dann klargeworden, dass das auch nur ein bestimmtes Konzept ist, diese Individualität, die immer auf Ausgrenzung angelegt ist, und dass ich das einfach nur mal anders denken muss. Als mir das klar wurde, war es auf einmal gar nicht mehr schlimm, dass der Wurm und ich jetzt eben zusammen einen Organismus bilden, ich habe gelernt, mich selbst offener zu denken, nicht immer so abgegrenzt zu meiner Umwelt. Warum auch nicht? Naja, und seitdem bin ich wieder sehr fröhlich und lebenslustig.
Die Pausenglocke schellte.
Oh, sagte ich, entschuldigen Sie, Herr Dudikoff, jetzt ist die Pause schon rum und ich habe Sie durch meine Fragerei vom Essen abgehalten.
Ach, macht nichts, sagte Michael Dudikoff, dann nehme ich es halt mit und esse es später, ist ja kein Problem.
Er wickelte die Selleriestange in eine Serviette und steckte sie in seine Jackentasche.

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Über die Obsternte 1872 in Grevenbroich (zu Gast von Michael Duszat)



Der strenge Winter des Jahres 1871 richtete an den Obstbäumen in Deutschland großen Schaden an. Heft 4 des Jahrgangs 1873 der Illustrierten Monatshefte für Obst- und Weinbau, dem Organ des Deutschen Pomologen-Vereins, druckte einen Brief an die Redaktion ab, der eine Liste der Apfel- und Birnensorten enthielt, die im Jahr 1872 in Grevenbroich Früchte getragen hatten:

Äpfel
Süßer Honigapfel trägt stark, wahrscheinlich Pomeranzenapfel,
                          prachtvoller Baum.
Pfirsichroter Sommerapfel trägt sehr stark, ist wohl der 
          empfehlenswerteste Frühapfel.
Winter-Goldparmäne trägt sehr stark, hat sich hier am allerbesten 
           bewährt.
Weißer Sommerrabau trägt stark, ungemein ergiebige Sorte.
Sophiens süßer Rosenapfel trägt sehr stark, gut zum Krautpressen.
Manks Kodlin trägt sehr stark, beste Sorte zum Dörren.
Köstlicher von Kew trägt stark, bleibt gewöhnlich zu klein.
Danziger Kantapfel trägt sehr stark.
Ananas-Renette trägt ziemlich stark.
Gestreifter Sommer-Zimtapfel trägt ziemlich stark.
Multhaupts Renette trägt stark, wird nicht leicht vom Wind 
           abgeworfen.
Alantapfel trägt ziemlich stark.
Ribston Pepping trägt stark, welkt auf dem Lager leicht.
Winter-Zitronenapfel trägt ziemlich stark.
Königlicher Kurzstiel trägt stark, welkt zu leicht.
Rote Sternrenette trägt stark, gesunder, in der Blüte nicht 
           empfindlicher Baum.
Schicks Johannisapfel trägt stark.
Himbeerapfel trägt stark.
Graue französische Renette trägt stark.
Früher Nonpareil trägt stark, fällt leicht ab und fault gern.
Grafensteiner trägt ziemlich stark.
Spitalrenette trägt stark.
Goldrenette von Blenheim trägt stark.
Bedfordshire Foundling trägt ziemlich stark.
Cornwalliser Nelkenapfel trägt ziemlich stark.
Großer Bohnapfel trägt stark.
Kaiser Alexander trägt stark.
Jakobsapfel trägt sehr stark, empfehlenswerter Frühapfel.
Parkers Pepping trägt ziemlich stark.

Birnen
Colmar Francois trägt stark, bleibt oft laff.
Blumenbachs Butterbirne trägt ziemlich stark.
Beurré d’Argenson trägt stark, empfehlenswerte, oft recht große 
           frühe Sorte.
Diels Butterbirne trägt ziemlich stark.
Volksmarser trägt stark.
Forellenbirne trägt ziemlich stark.
Capiaumont trägt stark.
Boscs Flaschenbirne trägt ziemlich stark.
Amanlis Butterbirne trägt sehr stark, etwas herb, gut zum Dörren.
Grüner Hoyerswerder trägt stark.
Duchesse d’Angoulême trägt ziemlich stark.
Nadelbirne, wohl Lokalsorte, trägt sehr stark, kleine bergamottartige 
           Frühbirne, trägt jährlich sehr reich, vergeht aber schnell.
Seckels Birne trägt ziemlich stark, sehr fein.