Michael Dudikoff hatte sich eine
Selleriestange vom Buffet genommen. Er wirkte etwas einsam und verlassen, wie
er da herumstand. Also ging ich auf ihn zu und begrüßte ihn und fragte, wie es
ihm gehe.
Gut, sagte Michael Dudikoff, es
geht mir wieder sehr gut. Ich habe inzwischen wieder zu einer großen
Fröhlichkeit zurückgefunden, nach dem ich ja eine lange Krise hatte.
Was war denn?, fragte ich.
Ach, ich hatte wirklich keine gute
Zeit, sagte er. Die letzten zwei Jahrzehnte bin ich wirklich durch ein tiefes Tal gegangen. Aber
ich möchte Sie nicht mit meinem Kram belasten. Das ist wirklich nicht so
wichtig.
Nein, sagte ich, Quatsch, tun Sie
ja nicht. Was war denn los?
1989, sagte er, 1989 habe ich doch
diesen Film gedreht, ‚River of death – Fluss des Grauens’.
Er sah mich an und machte eine
lange Pause.
Keine Ahnung, sagte ich, kann sein,
bestimmt habe ich ihn gesehen, ich kann mir nur die Namen von Filmen immer nie
merken.
Macht ja nichts, sagte er,
jedenfalls haben wir den in Südamerika gedreht. Es gibt da diese Szene wo ich
nachts im Dschungel durch den Fluss schwimme und wate.
Michael Dudikoff machte eine Pause
und sah mich fragend an.
Ich weiß das jetzt nicht mehr so
genau, sagte ich, ich habe den Film wahrscheinlich damals gesehen, das ist ja
schon lange her.
Ja, ist lange her, sagte Michael
Dudikoff, ist lange her. Also jedenfalls haben wir diese
Szene mehrmals drehen müssen, weil es Probleme mit der Beleuchtung gab. Ich
musste da immer wieder durch diesen Fluss waten und schwimmen, mitten im
nächtlichen Dschungel, und dabei muss ein kleiner Wurm in meinen Hintern eingedrungen sein, ein Parasit. Ich
habe das bei dem Dreh selbst nicht gemerkt. Aber wenige Tage nach dem Dreh der
Szene habe ich beim Kacken plötzlich festgestellt, dass mein Stuhl bläulich verfärbt
war. Ich meine, ich hatte gar keine Beschwerden oder so, aber man erschrickt
natürlich, wenn das auf einmal blau ist.
Das glaube ich, sagte ich.
Naja, sagte Michael Dudikoff,
natürlich bin ich gleich zum Arzt. Der hat mich untersucht und geröntgt, hat
dann aber ziemlich schnell festgestellt, dass ich eben diesen bestimmten Wurm
im Darmtrakt habe. Er hat mir erklärt, dass er sich da eben an die Darmwand
angedockt habe und da als Parasit nun lebe. Ich habe den Arzt natürlich gefragt,
was man dagegen machen könne, und der Arzt hat mir gesagt, dass man nichts
dagegen machen könne, allerdings sei das auch nicht weiter schlimm, schließlich
habe man selbst keine Beschwerden, lediglich der Stuhl verfärbe sich eben
bläulich, was ja aber nicht schlimm sei. Außerdem sei es sowieso so, dass der
Wurm mit der Stelle im Darm irgendwann verwachsen würde zu einem Organismus, der
Wurm und ich nach und nach also gewissermaßen ineinander aufgehen würden, womit
sich das Problem ja dann sowieso löse. Ich war ziemlich geschockt, muss ich
sagen. Ich habe das zwar erstmal so weggesteckt, aber auf Dauer hat mich das wirklich
fertig gemacht. Ich bin einfach nicht auf den Gedanken klargekommen. Ich habe
gedacht, ich muss doch der bleiben, der ich bin, ich bin doch Michael Dudikoff,
das kann doch nicht sein, dass ich mit so einem Wurm zusammenwachse. Ich will
Ihnen das im Detail ersparen, auf jeden Fall habe ich eine ziemliche Identitätskrise
bekommen, Depressionen auch, das ging in den Neunzigern los und ging bis vor
zwei Jahren, eine wirklich schwere Zeit. Ich habe auch keine Rollen mehr bekommen
aufgrund der Depressionen. Aber als ich wirklich nicht mehr weiter wusste, ist
mir dann klargeworden, dass das auch nur ein bestimmtes Konzept ist, diese
Individualität, die immer auf Ausgrenzung angelegt ist, und dass ich das
einfach nur mal anders denken muss. Als mir das klar wurde, war es auf einmal gar
nicht mehr schlimm, dass der Wurm und ich jetzt eben zusammen einen Organismus
bilden, ich habe gelernt, mich selbst offener zu denken, nicht immer so
abgegrenzt zu meiner Umwelt. Warum auch nicht? Naja, und seitdem bin ich wieder sehr fröhlich und lebenslustig.
Die Pausenglocke schellte.
Oh, sagte ich, entschuldigen Sie,
Herr Dudikoff, jetzt ist die Pause schon rum und ich habe Sie durch meine
Fragerei vom Essen abgehalten.
Ach, macht nichts, sagte Michael
Dudikoff, dann nehme ich es halt mit und esse es später, ist ja kein Problem.
Er wickelte die Selleriestange in
eine Serviette und steckte sie in seine Jackentasche.
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