Aus 79. Kapitel Rayuela Himmel und Hölle von Julio Cortázar:
Eine äusserst pedantische Aufzeichnung von Morelli: „Versuchen, den „roman comique“ zu schreiben, und zwar dergestalt, dass ein Text andere Werte anklingen lässt und so zu einer Anthropopanie beiträgt, die wir noch immer für möglich halten. Es scheint, dass der traditionelle Roman die Suche dadurch zunichte macht, dass er den Leser auf sein Milieu beschränkt, das umso genauer definiert wird, je besser der Romanschreiber ist. Erzwungenes Stehenbleiben auf den verschiedenen Stufen des Dramatischen, Psychologischen, Tragischen, Satirischen oder Politischen. Stattdessen versuchen, einen Text zu schreiben, der den Leser nicht fesselt, ihn aber zwangsläufig dadurch zum Komplizen macht, dass man ihm unterm Deckmantel einer konventionellen Handlungsführung andere, mehr esoterische Richtungen suggeriert. (...)
Provozieren, sich einen Text zur Aufgabe machen, der schlampig gemacht ist, unverbunden, inkongruent, der bis ins letzte gegen die Kunst des Romans (obgleich nicht gegen den Roman) verstösst. Ohne auf die grossen Wirkungen der Gattung zu verzichten, wenn die Situation es erfordert, aber den Rat von Gide beachten . ne jamais profiter de l´ elan acquis. Wie alle erwähnten Geschöpfe des Abendlandes, begnügt sich der Roman mit einer geschlossenen Ordnung. In entschlossener Opposition auch hier die Öffnung suchen und zu diesem Zweck jegliche systematische Konstruktion von Charakteren und Situationen mit der Wurzel ausrotten. Methode: Ironie, unablässige Selbstkritik, Inkongruenz, Phantasie in niemandes Diensten. Ein solcher Versuch geht von der Ablehnung der Literatur aus; einer partiellen Ablehnung, da sie sich auf das Wort stützt, die aber jeden Schritt des Autors und des Lesers überwachen muss. Folglich den Roman benutzen, wie man, unter Veränderung seines Zeichens, einen Revolver benutzt, um den Frieden zu verteidigen. Aus der Literatur das nehmen, was lebendige Brücke von Mensch zu Mensch ist und was der Traktat oder Essay nur unter Spezialisten möglich macht. Eine erzählende Literatur, die nicht Vorwand ist für die Übermittlung einer „Botschaft“ (es gibt keine Botschaft, es gibt Botschafter und die sind die Botschaft, sowie der Liebende die Liebe ist); eine erzählende Literatur, die wie eine Verdichtung gelebter Erfahrungen, wie ein Katalysator konfuser und missverstandener Vorstellungen wirkt, und dies in erster Linie auf den Schreibenden selbst, weshalb man sie als Antiroman schreiben muss, weil jede geschlossene Ordnung systematisch diese Ankündigungen draussen lassen würde, die uns wieder zu Botschaftern machen und uns den eigenen Grenzen nähern können, von denen wir so weit entfernt sind, wenn wir mit der Nase darauf stossen.
Sonntag, 7. Februar 2010
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