Donnerstag, 18. Februar 2010

Neuschwabenland

1

Jeder weiß
dass ich behindert bin.
Hier sitze ich also.

Ein Reh humpelt durch ein Maisfeld
es ist Abend
am einen Ende des Tags.

Die Finsternis zieht herauf
vor dem Fenster. Wie jeder weiß
sitzt Hitler in einem Loch
im ewigen Eis. Man kann es verstehen.

Gegen später kommen die Sterne
und eine Reichsflugscheibe
rotiert schillernd am Himmel.
(Nicht weit von Straubing.)

Hier sitze ich also.

Jeder weiß
dass ich behindert bin.



2

Agharti, du bist einer der Orte
an denen ich nie war.
Wo bist du überhaupt?

Im Fernsehen läuft eine Sendung
die für ein Pürriergerät wirbt.
Ich kann so ein Gerät nicht gebrauchen.

Aber ich sehne mich danach
eine weibliche Brust zu berühren.
(Oft stelle ich es mir vor
wenn ich gelagert liege
in meinem Bett.)
Ein Gedanke nur, eine Landschaft aus Eis.

Wann werde ich endlich verschwinden
durch die Polkappen hindurch
in deinem warmen Schoß
Mama Erde?



3

Die einen schälen Möhren
oder lesen Witzebücher.
Die anderen sitzen im Rollstuhl
und blicken sich um mit den Augen
(das bin ich).

Vor dem Fenster zerkratzt ein Auto
behutsam ein anderes.

Auch wenn ich keine Ahnung habe
vom Leben, muss ich mich äußern:

Das sind wir also.
Ich kann uns sehen.

Wir gehen (eine Wurst
eine elektrische Zahnbürste
oder ein Bier in der Hand)
auf einer hohlen
Erde umher.


2 Kommentare:

  1. Mir zerreißt's das Herzelein, lieber Leu, bei diesen wunderschönen Zeilen. Wenn ich recht sehe, dann haben auch Sie sich (soweit es Ihre schwere Behinderung zuließ) sehr intensiv mit dem Werk "Theozoologie oder Die Kunde von den Sodoms-Äfflingen und dem Götter-Elektron" (1905) des Herrn Lanz von Liebenfels beschäftigt. Mögen die indogermanischen Hohlwelt-Reptiloiden Ihrer Seele gnädig sein, lieber Freund!

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  2. Einfach ist es nicht. Aber ich finde es gut, Felix, dass du dir die Zeit nimmst, die du brauchst.

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