Dienstag, 11. Januar 2011

Zwei Briefe




Leipzig, 5. Januar 2011

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. von Hagens,

zunächst darf ich mich kurz vorstellen: Meine Name ist Wolfram Lotz, Schriftsteller von Profession. Ich trete mit einem Anliegen an Sie heran, mit dem wohl viele Menschen an Sie herantreten – dennoch: Meines unterscheidet sich ein wenig von all den anderen. Ich möchte, falls ich eines Tages versterben sollte (was hoffentlich nie passieren wird, da der natürliche Tod zu einem späteren Zeitpunkt sicherlich aufgehoben werden kann – aber die Zukunft ist ja leider unwägbar), von Ihnen plastiniert werden, damit ich im Deutschen Literaturarchiv Marbach ausgestellt werden kann. Das Marbacher Literaturarchiv habe ich diesbezüglich ebenfalls angefragt.
Natürlich ist mir durchaus bewusst, dass Sie Ihre Plastinate für gewöhnlich in Ihrer Ausstellung „Körperwelten“ ausstellen, da Sie Ihr Unternehmen ja auch finanzieren müssen. Nun ist das Literaturarchiv Marbach vermutlich nicht in der Lage, die Herstellung eines Plastinats zu bezahlen. Diese finanziellen Unwägbarkeiten sollten uns aber nicht von vornherein von dem spannenden Plan abhalten – es sind reine Geldfragen, die zu lösen sind. Es ist sicherlich möglich, die Bundeszentrale für politische Bildung oder die Kulturstiftung des Landes Sachsen um entsprechende Fördergelder zu ersuchen – haben diese Institutionen doch schon so einiges gefördert, was auf den ersten Blick zunächst fragwürdig erschienen sein mag.
Mir ist bewusst, dass eine Plastination sicherlich noch der Lösung einiger anderer Fomalitäten bedarf. In diesem Brief geht es mir zunächst aber nur darum, mit Ihnen ersten Kontakt aufzunehmen und Sie für das interessante Unterfangen zu begeistern.
Ich möchte Ihnen auch noch kurz schreiben, dass ich (abgesehen von Platt- und Senkfüßen) eine sogenannte Trichterbrust (Pectus excavatum sive infundibulum) habe, also eine gehörige Verformung des Brustkorbes. Vielleicht ist Ihnen ja diese mir angeborene Eigenart meines Körpers ein weiterer Anreiz, mich zu plastinieren.
Ich wende mich auch ganz bewusst an Sie, da ich ein großer Fan Ihrer Arbeiten bin. So hat es mir das Stück „Scheuendes Pferd mit Reiter“ aus dem Jahr 2000 besonders angetan, aber zum Beispiel auch der etwas später entstandene „Skateboarder“. Diese neueren Arbeiten finde ich viel verständlicher und eingängiger als die älteren, als zum Beispiel den „Fettstuhl“ oder den „Filzanzug“.
Es würde mich sehr freuen, wenn Sie sich für das Projekt begeistern würden und wir vielleicht in diesem Winter schon mit der Planung beginnen könnten.

Mit herzlichen Grüßen

Wolfram Lotz




Leipzig, 5. Januar 2011

Sehr geehrte Damen und Herren des Deutschen Literaturarchivs Marbach,

zunächst darf ich mich kurz vorstellen: Meine Name ist Wolfram Lotz, von Beruf bin ich Schriftsteller.
Das Anliegen, mit dem ich an Sie herantrete, mag zunächst sehr besonders wirken, ich würde Sie aber bitten, es nicht sofort abzutun.
Mein Plan ist, mich nach meinem etwaigen Ableben (ich hoffe, dass es nie dazu kommen wird) plastinieren zu lassen. Dieses Plastinat möchte ich sodann Ihrem Museum kostenlos als Dauerleihgabe zur Verfügung stellen. Was die Plastination betrifft, so habe ich bereits bei Herrn Prof. Dr. Gunther von Hagens’ Institut für Plastination in Heidelberg angefragt und ich bin optimistisch, dass es zu einer Zusammenarbeit kommen wird.
Es sind sicherlich noch einige Dinge vorab zu klären, bis sich das Unterfangen ganz in die Realität umsetzen lässt. Ich möchte mit diesem Brief aber zunächst einmal vorsichtig anfragen, ob Interesse bei Ihnen besteht und ob Sie sich für das spannende und außergewöhnliche Projekt begeistern können.
Vorab möchte ich Ihnen einige Daten zu meinem Körper schicken: Ich bin 1,86 m groß und recht schmal gebaut (regelrecht hager). Ich schreibe das, damit Sie schon einmal im Kopf durchgehen können, wo ich in etwa aufgestellt werden könnte. Natürlich wäre es (falls ich zu groß sein sollte) auch möglich, ein Plastinat meines sitzenden Körpers herzustellen. Das müsste ich aber natürlich vorab wissen, damit ich Herrn Prof. Dr. von Hagens darüber informieren kann – denn wenn ich erstmal plastiniert sein werde, ist es zu spät für solche Überlegungen.
Wenn es nach mir ginge, so würde ich gerne in der kleinen Halle aufgestellt werden, wo bisher nur Hans-Magnus Enzensbergers Poesieautomat zu bewundern ist. Das wäre, so finde ich, doch eine reizvolle Kombination: Der Automat und der Körper (!). Da ließen sich einige interessante Bezüge herstellen, und ich wäre anspruchsvoll dargeboten, was ja in unser aller Interesse wäre. Aber natürlich überlasse ich das gerne auch den Mitarbeitern Ihres Museums, die in diesen Überlegungen sicherlich viel professioneller sind als ich.
Es würde mich sehr freuen, wenn Sie sich für das Projekt begeistern würden und wir vielleicht in diesem Winter noch mit der Planung beginnen könnten.

Mit herzlichen Grüßen

Wolfram Lotz


1 Kommentar:

  1. Lieber Gott!

    bitte lass in unsrem Bunde den Lotz zuerst sterben!

    Wir mögen ihn sehr, lieben ihn sogar, aber das Pläsier, dass er uns hier in Aussicht stellt, ist allzu verführerisch für unsere schiefen Seelen.

    Im Gegenzug geloben wir, unseren alten, toten Freund Lotz einmal jährlich in Marbach zu besuchen und ihm bei dieser Gelegenheit den roten Schal der Sozialdemokratie zu richten (Er trägt ihn anstelle einer Unterhose).

    Amen.

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