Dienstag, 12. März 2013


1513

Im Jahr 1513, so schreibt Valerius Anshelm in seiner Chronik, ist an viel Orten der Welt ein ufrührisch blutigs Jahr gsyn, durch hart Gestirn und Sonnenfinstere verzeigt.

Im Herbst des Jahres 1513 überquerte ein Mann mit Namen Lütard oder Loithart einige Pässe und gelangte so auf das Gebiet der heutigen Schweiz, wo er sich niederliess. 493 Jahre später veröffentlicht D. Lüthard, vermutlich ein Nachkomme des erstgenannten Gleichnamigen, mit seiner Band die Alben „Eidgenössischer Widerstand“ und „Marsch auf Bern“. Auf dem Folgealbum findet sich das Lied „Wir sind Eidgenossen“, in dem es heisst: „Wir sind Eidgenossen, denn Schweizer kann man werden!“

Frage des SBB-Magazins «Via» an den Schwinger Stucki: «In Ihrem Selbstverständnis: Sind Sie zuerst Schweizer oder Berner?“ Stucki: «Zuerst bin ich Eidgenosse. (Lacht) Nein, das ist immer ein heikles Thema, weil es schnell heisst, man sei ausländerfeindlich. Aber Schweizer kann jeder werden, Eidgenosse nicht.»

Im Jahr 1513 verkündete ein Historiker aus dem Distrikt Segeneiti, 145 Kilometer von der Küste des Roten Meers entfernt, bei einem Gespräch mit seinem Nachbarn, die Geschichte bestehe nicht nur aus Ereignissen, die sich als deutliche Erhebungen zeigten im Feld der Geschichte, sondern auch aus den scheinbar unauffälligen Ebenen, den unscheinbaren Strecken. So, fuhr er fort, wird die Zeit der Nationen, der Eide und Genossenschaften einmal kommen und sie wird auch einmal wieder gehen, wenn wir uns nur weiterbewegen. Der Nachbar machte sich an diesem Tag noch auf und wanderte auf einem staubigen Weg, den er nie zuvor beschritten hatte Richtung Massawa, am Roten Meer gelegen.

Im Jahr 1513 verschwendet die örtliche Bevölkerung kaum einen Gedanken daran, dass die 500-jährige Mitgliedschaft in der Eidgenossenschaft im Jahr 2013 unter anderem mit dem Druck einer Sonder-Briefmarke gefeiert werden könnte, auf der vor dem Hintergrund des Alpsteins neben einer Ziege ein Appenzeller Hund zu sehen ist, dessen Brust ein weisses, überaus eidgenössisches Schweizerkreuz ziert.

Im Jahr 1513 vollendete der Luzerner Diebold Schilling seine berühmte Bilderchronik. Darin, so habe ich kürzlich festgestellt, als ich mich frühmorgens im Lesesaal der Bibliothek befand, sind die Appenzeller auf mindestens einer Seite abgebildet. Die Darstellung zeigt die Appenzeller, die im Jahr 1498 gerade im Begriff sind, das bei Rorschach gelegene Kloster in Brand zu setzen.

Im Jahr 1513 oder 1514 wurde der Schotte John Knox geboren, der Mitte Dreissig wegen aufrührerisch reformatorischer Tätigkeit zum zweijährigen Dienst auf einer Galeere verpflichtet wurde, dann mit über vierzig Jahren nach Genf floh, wo er Calvin kennenlernte und schliesslich zurückkehrte nach Schottland, wo er unter anderem eine Schrift mit dem Titel „Der erste Stoss der Trompete gegen das monströse Regiment der Frauen“ veröffentlichte. Über dem Grab von Knox, südlich der St. Giles Kathedrale in Edinburgh, liegt heute ein Parkfeld mit der Nummer 23.

Im Jahr 1513, so ist bekundet, fürchtete sich der St. Gallische Abt nicht nur vor dem gewaltthätigen Übermut der Appenzeller, sondern war auch der Ansicht, sie hätten ihre Stellung nicht dem Recht, sondern nur der Gewalt zu verdanken.

Im Jahr 1513 kaufte die Stadt Tournai, die noch heute unter diesem Namen existiert, sechs Wandteppiche und überreichte sie der Regentin Margarete von Österreich. Die Motive der Wandteppiche basierten auf einem Werk namens „Das Buch von der Stadt der Frauen“, das die Feministin Christine de Pizan über hundert Jahre zuvor verfasst hatte.

Im Jahr 1513 streifte ein Pilger skandinavischer Abstammung, Johann U. Slender, auf seiner Reise die Ausläufer der Voralpen, verbrachte eine Nacht am Bodensee, der zu früheren Zeiten noch weit in die Alpen reichte und erreichte einige Wochen später die Stadt Malmö, die ihn bereits hatte aufwachsen sehen.

Im Jahr 1513 beendete Niccolo Machiavelli sein Werk „Il Principe“ und lehnte sich im Stuhl zurück.


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