1513
Im
Jahr 1513, so schreibt Valerius Anshelm in seiner Chronik, ist an viel Orten
der Welt ein ufrührisch blutigs Jahr gsyn, durch hart Gestirn und
Sonnenfinstere verzeigt.
Im Herbst des Jahres 1513 überquerte ein Mann mit Namen
Lütard oder Loithart einige Pässe und gelangte so auf das Gebiet der heutigen
Schweiz, wo er sich niederliess. 493 Jahre später veröffentlicht D.
Lüthard, vermutlich ein Nachkomme des erstgenannten Gleichnamigen, mit seiner
Band die Alben „Eidgenössischer Widerstand“ und „Marsch auf Bern“. Auf dem
Folgealbum findet sich das Lied „Wir sind Eidgenossen“, in dem es heisst: „Wir
sind Eidgenossen, denn Schweizer kann man werden!“
Frage des SBB-Magazins «Via» an den Schwinger Stucki: «In
Ihrem Selbstverständnis: Sind Sie zuerst Schweizer oder Berner?“ Stucki:
«Zuerst bin ich Eidgenosse. (Lacht) Nein, das ist immer ein heikles Thema, weil
es schnell heisst, man sei ausländerfeindlich. Aber Schweizer kann jeder
werden, Eidgenosse nicht.»
Im Jahr 1513 verkündete ein Historiker aus dem Distrikt
Segeneiti, 145 Kilometer von der Küste des Roten Meers entfernt, bei einem
Gespräch mit seinem Nachbarn, die Geschichte bestehe nicht nur aus Ereignissen,
die sich als deutliche Erhebungen zeigten im Feld der Geschichte, sondern auch
aus den scheinbar unauffälligen Ebenen, den unscheinbaren Strecken. So, fuhr er
fort, wird die Zeit der Nationen, der Eide und Genossenschaften einmal kommen
und sie wird auch einmal wieder gehen, wenn wir uns nur weiterbewegen. Der
Nachbar machte sich an diesem Tag noch auf und wanderte auf einem staubigen
Weg, den er nie zuvor beschritten hatte Richtung Massawa, am Roten Meer
gelegen.
Im Jahr 1513 verschwendet die örtliche Bevölkerung kaum
einen Gedanken daran, dass die 500-jährige Mitgliedschaft in der
Eidgenossenschaft im Jahr 2013 unter anderem mit dem Druck einer
Sonder-Briefmarke gefeiert werden könnte, auf der vor dem Hintergrund des
Alpsteins neben einer Ziege ein Appenzeller Hund zu sehen ist, dessen Brust ein
weisses, überaus eidgenössisches Schweizerkreuz ziert.
Im Jahr 1513 vollendete der Luzerner Diebold Schilling seine
berühmte Bilderchronik. Darin, so habe ich kürzlich festgestellt, als ich mich
frühmorgens im Lesesaal der Bibliothek befand, sind die Appenzeller auf
mindestens einer Seite abgebildet. Die Darstellung zeigt die Appenzeller, die
im Jahr 1498 gerade im Begriff sind, das bei Rorschach gelegene Kloster in
Brand zu setzen.
Im Jahr 1513 oder 1514 wurde der Schotte John Knox geboren,
der Mitte Dreissig wegen aufrührerisch reformatorischer Tätigkeit zum
zweijährigen Dienst auf einer Galeere verpflichtet wurde, dann mit über vierzig
Jahren nach Genf floh, wo er Calvin kennenlernte und schliesslich zurückkehrte
nach Schottland, wo er unter anderem eine Schrift mit dem Titel „Der erste
Stoss der Trompete gegen das monströse Regiment der Frauen“ veröffentlichte. Über
dem Grab von Knox, südlich der St. Giles Kathedrale in Edinburgh, liegt heute
ein Parkfeld mit der Nummer 23.
Im Jahr 1513, so ist bekundet, fürchtete sich der St.
Gallische Abt nicht nur vor dem gewaltthätigen Übermut der Appenzeller, sondern
war auch der Ansicht, sie hätten ihre Stellung nicht dem Recht, sondern nur der
Gewalt zu verdanken.
Im Jahr 1513 kaufte die Stadt Tournai, die noch heute unter
diesem Namen existiert, sechs Wandteppiche und überreichte sie der Regentin Margarete
von Österreich. Die Motive der Wandteppiche basierten auf einem Werk namens
„Das Buch von der Stadt der Frauen“, das die Feministin Christine de Pizan über
hundert Jahre zuvor verfasst hatte.
Im Jahr 1513 streifte ein Pilger skandinavischer Abstammung,
Johann U. Slender, auf seiner Reise die Ausläufer der Voralpen, verbrachte eine
Nacht am Bodensee, der zu früheren Zeiten noch weit in die Alpen reichte und erreichte einige Wochen später die
Stadt Malmö, die ihn bereits hatte aufwachsen sehen.
Im Jahr 1513 beendete
Niccolo Machiavelli sein Werk „Il Principe“ und lehnte sich im Stuhl zurück.
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