Donnerstag, 2. September 2010

Das Grußwort aus Berlin

Grußwort des Bürgermeisters und Senators

für Wirtschaft, Technologie und Frauen der Stadt Berlin,

HARALD WOLF


Liebe Frau Keller, lieber Herr Becker, lieber Herr Macht, lieber Herr Lotz,

sehr geehrtes Publikum,

liebe Freunde der Kunst und der Gänseblümchen im Park,

natürlich freue ich mich sehr, dass vier junge Menschen es wagen, die Stadt Leipzig zu verlassen, um mit viel Gepäck und einer gehörigen Portion Enthusiasmus in unsere schöne Bundeshauptstadt zu marschieren. Jedoch: Ganz sicher bin ich mir noch nicht, was Sie, liebe Jungautoren, wirklich nach Berlin zieht. Diese und viele weitere Fragen sind noch offen, aber ich bin optimistisch, dass ich eines Tages von Ihnen allen eine Antwort darauf erhalten werde. Um meine anfänglich sehr starken Zweifel an Ihrem Projekt aus dem Weg zu schaffen, beschäftigte ich mich mit dem 1986 verstorbenen DDR-Musiker Tarry Tollheimer, genannt „Schikane“, der im September 1973 mit seiner Rockband „Morbus Krofitz“ von Berlin nach Leipzig wanderte, um am Ufer des dortigen Kulkwitzer Sees beim legendären „Plööölbüüül“ aufzutreten, dem „Festival für zeitgenössische Krachkunst und Furorkultur“. Warum diese jungen Wilden nicht mit dem Auto oder der Bahn fuhren? Keiner weiß es. Sicher jedoch ist, dass „Schikane“ und seine drei Mitmusiker von „Morbus Krofitz“ zwei Tage nach Ende des Festivals Leipzig erreichten, da sie erst von einer kleinen Gruppe Soldaten der Nationalen Volksarmee tagelang um Luckenwalde herum gejagt wurden und sich später heillos in der Dübener Heide verliefen. Trotzdem ließ es sich die Band nicht nehmen, für die Mitarbeiter, die das Festivalgelände aufräumten, und einige betrunkene Besucher, die noch vor Ort waren, eine Mugge zu geben, die als „Allein am See – ‚Morbus Krofitz‘ Live und Open Air“ in die Musikgeschichte einging.

Nun glaube ich, dass Sie, die Sie von Leipzig nach Berlin kommen, trotz aller Fehlschläge, die sie auf ihrem Marsch ereilen könnten, uns Hauptstädtern eben solch ein wunderbares Geschenk machen sollten, wie es die Band um „Schikane“ Tollheimer einst tat. Das Gehen allein befreit Sie noch nicht von dem Vorwurf des bloßen Aktionismus – Ihr durchdachtes Tun aber hat ein Ergebnis zur Folge. Denn wie heißt es so schön in Tollheimers berühmtem Lied „Kannst du willst du musst du weichen wachen schleichen“: „All die Wege / die hinter mir liegen / All die Zeit / die vergeblich zerrann / Heut muss ich einiges zurechtebiegen / und seh‘n was ich damit noch anstellen kann“.

In diesem Sinne: Horrido! Berg Frei! Gut Pfad!

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