Donnerstag, 2. September 2010

Rede zum Marsch von Wolfram Lotz

Brüder und Schwestern,

kürzlich träumte ich, ich stünde an der Bushaltestelle Leipzig / Holsteinstraße und es regnete Asche vom Himmel. Da trat ein kleines Tier aus dem Gesträuch hervor und sprach zu mir: „Lotz, höre, was ich dir zu sagen habe!

1. Die Natur ist eine Hütte mit brennendem Dach!

2. Die Sehnsucht ist größer als die Angst!

3. Nimm dein blutiges Herz und hau es allen auf den hohlen Kopf!“

Nachdem das kleine Tier dies gesprochen hatte, lief es die Holsteinstraße in Richtung Aldi / Postfiliale davon und ich erwachte aus dem Traum. Stunde um Stunde, Tag um Tag dachte ich über die Botschaften des kleinen Tiers nach.

Inzwischen habe ich aber etwas ganz anderes begriffen:

Wir müssen aufbrechen.

Es ist an uns, aufzubrechen.

Wir müssen fort von den Orten, an denen wir ja immer sind und immer sein werden.

Wir müssen durch die Landschaft gehen auf eine immer andere Art.

Wir müssen auf einen Ort zugehen, den es so nicht gibt.

Das ist unsere ewige Aufgabe.

Wir gehen in die Hauptstadt, wir gehen nach Berlin, aber dieses Berlin muss uns und unserer Sehnsucht weichen.

Seht meine dürren Beine an! Auf diesen werde ich gehen! Soll ich mich etwa fürchten?

Wir müssen keine Angst haben. Wir brechen doch auf, um alles in Grund und Boden zu scheitern! So werden wir auch Berlin in Grund und Boden scheitern!

Ja, die Welt will uns immer nur aufhalten: Sie hat uns den Tod in den Arsch gepflanzt und die Angst in die Herzen. Aber das interessiert uns nicht mehr. Wir wollen zu dem Ort, den es so nicht gibt! Also gehen wir dorthin.

Wir gehen durch die Landschaft bis sie reißt. Sie wird ja wohl reißen! Dann gehen wir durch diesen Riss hindurch. So wird’s wohl sein, denke ich mal. Darauf könnt ihr euch verlassen!

Ja, ich drohe der Welt. Ich drohe ihr mit meinen dürren Beinen, mit meinen Augen und Ohren! Ich drohe mit meinem Hund Seppl und mit meinen Katzen Samuel und Gesine, ich drohe mit meinen hässlichen Schuhen, ich drohe mit der lächerlichen Fahne des unmöglichen Theaters!

Wir gehen jetzt los.

Hoffnung und Zweifel sind nunmehr eins!

Alles, wirklich alles, was uns entgegensteht, kann uns mal kreuzweise!

Wir gehen auf unseren dürren Beinen an den Ort, an den wir uns sehnen, auch wenn es ihn gar nicht gibt.

Wolfram Lotz, Leipzig, 2. September 2010

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