Ein finsteres Kapitel vergessener Geschichte
Am 17. Januar 1977 kam es in Reudnitz, einem Stadtteil im Leipziger Osten, in den frühen Abendstunden zu Unruhen. Teile der Bevölkerung bekundeten damals spontan ihren Unmut über die herrschenden Verhältnisse.
Bei der Auflösung der kleinen Demonstration durch die Sicherheitskräfte der Volkspolizei soll es dabei mehrere Verletzte gegeben haben sowie möglicherweise zwei Todesfälle.
Die als „Reudnitzer Unruhen“ bezeichneten Vorfälle waren über Jahre hinweg völlig vergessen. Hauptverantwortlich dafür ist die Informationspolitik der damaligen Regierung der DDR. Das Interesse der Mächtigen bestand darin, die Spuren des Geschehens so zu verwischen, dass es für die damalige Bevölkerung und die Nachwelt nicht mehr möglich ist, die Vorfälle zu rekonstruieren bzw. zu beweisen. Akten wurden vernichtet, Spuren am Ort des Geschehens beseitigt, potenzielle Zeugen bedroht sowie materielle Zugeständnisse an die damalige Bevölkerung der Stadtteils gemacht.
Gründe für dieses Vorgehen dürften in der damals schon angeschlagenen Situation des Arbeiter- und Bauernstaates gelegen haben sowie dem angespannten Verhältnis der beiden deutschen Staaten zueinander. Ob es durch das Bekanntwerden der Vorfälle einen „Flächenbrand“ in der Bevölkerung gegeben hätte oder nicht – dies ist aus heutiger Sicht nicht mehr eindeutig zu klären. Sicher aber ist, dass das Bekanntwerden den Graben zwischen Ost und West noch weiter vertieft hätte.
Das Schweigen der Reudnitzer Bevölkerung muss im Spiegel der Zeit angemessen betrachtet werden. Eine einfache Verurteilung ist in Hinblick auf die damaligen Verhältnisse jedenfalls unbotmäßig. Die repressive Stimmung in den folgenden Jahren sowie die stille Erinnerung an die Opfer der grausamen Gewalt dürften das Ihrige zum Vergessen beigetragen haben.
Nicht erklärt werden kann dagegen das Anhalten des Schweigens über die Zeit der Wende hinaus. Die Erklärung des Historikers Prof. Dr. Ernst Müller-Staudler, man habe nach 1990 befürchtet, dass Kreise der Staatsicherheit auch nach Abwicklung der DDR im Untergrund weiter aktiv seien, muss jedenfalls mit Vorsicht betrachtet werden und reicht in jedem Fall nicht aus, das Verhalten der Bevölkerung in ausreichendem Maße zu erklären.
Fund und Beginn der Aufarbeitung
Im Jahre 1997 fand der Historiker Dr. Günther Mensurian bei der Sichtung des privaten Archivs der Reudnitzerin Helga Petzlak erste Hinweise, die gewaltsame Vorgänge im Leipziger Osten der Siebziger Jahre nahelegten. Bei der Befragung der alten Dame konnte Mensurian weitere Anhaltspunkte dafür bekommen, wenngleich Helga Petzlaks Erinnerungsvermögen nur gering war.
Bei den darauf folgenden Recherchen traf Dr. Mensurian bald auf Peter Körneff, einen ehemaligen Mitarbeiter des Leipziger Stadtarchivs in den Siebzigern und Achtzigern. Peter Körneff hatte im März 1977 Beweisstücke für die Unruhen gesammelt und unter falscher Beschriftung im damaligen Archiv eingelagert, um sie vor dem Verschwinden zu bewahren. Vor der Sprengung des damaligen Stadtarchivs am Tröndlinring im Jahr 1981 durch offizielle Stellen der Stadtverwaltung verschenkte Körneff die historisch bedeutsamsten Stücke an das Historische Heimatmuseum Grimma. Zur eigenen Sicherheit gab er an, es handele sich um Unikate sächsischen Handwerks. Durch diesen Trick Körneffs überdauerten die Gegenstände die turbulenten Zeiten unter falscher Beschriftung in den Vitrinen des Grimmaer Museums.
Im Jahre 1991 wandte sich Peter Körneff bereits an das Museum, um die Herkunft der Stücke richtigzustellen. Er wurde aber von der damaligen Leitung abgewiesen mit der Begründung, man lasse sich nicht „verarschen“ (so der Direktor in einem Brief an Körneff). Erst mit Hilfe der neuen Forschungsergebnisse Dr. Mensurians gelang es Körneff und dem Historiker 2002, die neue Leitung des Museums von der eigentlichen Bedeutung der Exponate zu überzeugen. Die Beschriftungen wurden geändert und die Exponate konnten von Dr. Mensurian eingehender untersucht werden. Eine Entschuldigung bei Peter Körneff lehnte die neue Museumsleitung allerdings ab mit der Begründung, es könne keine Kollektivschuld der Leitung gültig gemacht werden.
Nach einer ersten Präsentation seiner Ergebnisse in einer lokalen Zeitung meldeten sich 2003 einige Reudnitzer Bürger bei Dr. Günther Mensurian. Teilweise meinten sich diese an die Unruhen erinnern zu können. Andere hatten weitere Stücke in ihrem Privatbesitz, die von den Unruhen zeugen, und die daraufhin von Dr. Mensurian genauer untersucht werden konnten.
Gewisse Probleme ergab allerdings die Befragung der Zeugen: Viele konnten sich nur schlecht erinnern, manche erinnerten sich falsch. Zwei Zeugen konnte Mensurian durch gründliche Recherche gar nachweisen, dass sie gar nichts von den Unruhen wissen konnten, da sie zu dem Zeitpunkt 1977 noch gar nicht in Reudnitz gelebt hatten, sondern in Schleußig und Gohlis. Durch eine umfassende Abgleichung der Fakten konnte der Historiker trotz der schwierigen Quellenlage nach und nach ein genaueres Bild der historischen Vorfälle zusammensetzen.
So konnte Mensurian herausfinden, dass bei den Unruhen vermutlich nur eine kleinere Gruppe von Menschen zugegen gewesen sein kann. Außerdem müssen die Sichtverhältnisse auf die Unruhen von den umliegenden Häusern sehr schlecht gewesen sei, was zwar auch daran gelegen habe, dass es im Januar früh dunkel werde, andererseits könne der Sachverhalt aber auch über Ort und Ablauf der Unruhen in einem engen Rahmen genauere Auskunft geben.
2007 stellte Dr. Mensurian erstmals eine kleine Ausstellung über die „Reudnitzer Unruhen“ zusammen, die im Historischen Heimatmuseum Grimma gezeigt wurde und von Jessica Dörbe vom Heimatmuseum betreut wurde. Dadurch wurden die Vorfälle und ihre Belege erstmals wieder einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Der Grundstein für eine weitere Aufarbeitung der schrecklichen Vorfälle im Januar 1977 war gelegt .
Lange Jahre waren die Reudnitzer Unruhen vergessen. Die Forschung konzentrierte sich fast ausschließlich um die Aufarbeitung der Vorfälle um die Leipziger Montagsdemonstrationen 1989. Was aber zwölf Jahre zuvor ebenfalls an einem Montag geschehen war, wurde vergessen und verdrängt.
Dem Engagement Dr. Günther Mensurians verdanken wir, dass ein trauriges Kapitel deutscher Geschichte vor der Dunkelheit des ewigen Vergessens bewahrt wurde. Ebenfalls großer Dank gebührt dem ehemaligen Mitarbeiter des Leipziger Stadtarchivs, Peter Körneff, der durch seinen selbstlosen Einsatz die Beweisstücke vor dem endgültigen Verschwinden bewahrt hat. Ohne Dr. Mensurian und Peter Körneff wäre diese Ausstellung heute nicht möglich.
Wolfram Lotz, Leipzig im Sommer 2010
Die Reudnitzer Unruhen – Vorgeschichte
Die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann
Der Liedermacher Wolf Biermann („Warte nicht auf beßre Zeiten“, „Frühling auf dem Mont Klamott“, „Comandante Che Guevara“) wurde am 16. November 1976 aus der DDR „ausgebürgert“. Nicht wenige Historiker bezeichnen dieses Ereignis heute als „Anfang vom Ende der DDR“.
Aufgrund der Zensur und der daraus resultierenden mangelnden Quellenlage kann ein Zusammenhang zwischen der Ausbürgerung Biermanns und den Reudnitzer Unruhen nicht endgültig bewiesen werden. Die zeitliche Nähe der beiden Geschehnisse (zwei Monate), die bekannten Auswirkungen der Ausbürgerung auf die Stimmung in der Bevölkerung insgesamt sowie die Inhalte der Liedtexte Biermanns legen nahe, dass die Ausbürgerung Biermanns aber zumindest als Auslöser der Unruhen betrachtet werden muss. „Die Ausbürgerung Biermanns ist heute nicht mehr ohne die Reudnitzer Unruhen zwei Monate danach denkbar“, schreibt der Historiker Dr. Günther Mensurian. „Wer heute diesen Zusammenhang leugnet, ist sich nicht der Komplexität sozialer und medialer Realitäten bewusst, der die Wissenschaft heute mehr denn je verpflichtet ist, besonders im Spiegel der Vergangenheit und angesichts der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts.“
Das Kölner Konzert und die Ausbürgerung
1976 wurde Biermann von der IG Metall zu einer Konzertreise in die Bundesrepublik Deutschland eingeladen, wofür ihm die Behörden der DDR eine Reisegenehmigung erteilten. Das erste Konzert fand, vom Dritten Fernsehprogramm des WDR live übertragen, am 13. November in der Kölner Sporthalle statt. Dieses Konzert – Biermann hatte die DDR stellenweise kritisiert, bei anderen Anlässen wie etwa einer Diskussion über den 17. Juni aber auch verteidigt – diente dem Politbüro der SED als Vorwand für die Ausbürgerung „wegen grober Verletzung der staatsbürgerlichen Pflichten“, wie von ADN am 16. November verbreitet wurde. Nach der Ausbürgerung übernahm das ARD-Fernsehen das Konzert in voller Länge. Erst durch diese Übertragung – das Dritte Fernsehprogramm des WDR konnte in der DDR nicht empfangen werden – erfuhren viele Menschen in der DDR zum ersten Mal etwas über Biermanns Lieder.
Wirkung des Ereignisses auf die Bevölkerung
Die Ausbürgerung Biermanns war ein einschneidendes und prägendes Erlebnis für die Arbeiter- und Bauern-Szene der DDR. Gab es nach dem Machtantritt Erich Honeckers 1971 Hoffnung auf eine gesellschaftliche Liberalisierung und Ansätze von Meinungsfreiheit, wurden diese Hoffnungen durch das repressive Vorgehen 1976 wieder zerstört. Nicht wenige Arbeiter änderten ihre Haltung zur DDR nach der Ausbürgerung Biermanns von einer solidarischen Kritik hin zu radikaler Distanz zur DDR. Viele, auch sehr berühmte Personen in Ost und West, protestierten gegen Biermanns Ausbürgerung.
Die Vorwürfe gegen Biermann
2007 behauptete der Autor Florian Havemann, Sohn des 1982 verstorbenen Dissidenten Robert Havemann, kurz vor Biermanns Abreise aus der DDR zu der Tournee durch die Bundesrepublik im November 1976 habe die damalige Ostberliner Volksbildungsministerin Margot Honecker den Liedermacher in seiner Wohnung in der Berliner Chausseestraße 131 besucht, „um ihn davor zu warnen, die DDR zu verlassen, weil es dann schon beschlossene Sache sei, ihn dann, wenn er erst mal im Westen sei, auszubürgern“. Kurz vor seinem spektakulären Auftritt in Köln habe Biermann angegeben, „in dieser Nacht vor seiner Abreise in den Westen mit Margot Honecker im Bett gewesen, mit ihr geschlafen zu haben“. Biermann wies die Vorwürfe in einer Stellungnahme zurück und bezeichnete sie als „gequirlte Scheiße“.
Die Reudnitzer Unruhen – Zeitzeugen berichten
Man war damals schon sehr unzufrieden mit der Regierung. Man merkte ja, dass die Versprechungen, die einem gemacht wurden – es ging ja schon Jahre so – nicht eingehalten wurden, oder nicht eingehalten werden konnten, wie auch immer. Klar, eine gewisse Unzufriedenheit war in der Bevölkerung schon zu spüren. Dass es da auch mal kracht, das war schon möglich, das lag in der Luft.
Sylvia Wawrocki, 74, Hausfrau
Ich erinnere mich nicht genau an den Tag und daran, was ich da gemacht habe. Das war ja zu der Zeit, als unsere Kinder noch recht klein waren. Der Karsten muss da gerade eingeschult gewesen sein. Ich habe selbst die Unruhen nicht direkt mitbekommen, wir wohnten ja damals in der Reiskestraße, also ein Stück vom Ort des Geschehens entfernt. In den nächsten Tagen wurde da auch nicht darüber gesprochen. Aber ich meine mich erinnern zu können, dass die Angst, also die Angst, dass da noch was passieren könnte, allgegenwärtig war. Man konnte ja nicht einschätzen, was genau los war. Es hat ja niemand darüber gesprochen, aus Angst. Es wurde ja so getan, als sei nichts gewesen.
Eva-Maria Dorn, 59, Leitende Angestellte
Wirklich mit den System einverstanden war ja niemand, würde ich mal sagen. Ob das jetzt mit dem Biermann zusammenhing, oder ob das eine allgemeine Unzufriedenheit war, das ist jetzt, so in Hinblick auf die Vergangenheit, schwer zu sagen. Aber ich erinnere mich, dass wir 1977 noch immer auf unser Auto gewartet haben, das hatten wir 1971 bestellt. Das macht einen schon sauer. Als das Auto, ein cremefarbener Wartburg, dann kam, ein Jahr später, im März 78, war das dann doch eine Überraschung. Das kann schon sein, dass das dann plötzlich so schnell ging, weil die Regierung da vielleicht versucht hat, uns, also die Reudnitzer, auch zu besänftigen. Also Deeskalation, oder wie man das heute so sagt. An den Unruhen selbst war ich nicht beteiligt, habe sie auch nicht direkt mitbekommen.
Gerhard Heynig, 74, Rentner
Ich bin ein sehr friedlicher Mensch. Deshalb ist es für mich auch im Nachhinein klar, wieso ich nicht an den Ausschreitungen teilgenommen habe, und damit eigentlich auch gar nichts zu tun hatte. Ich habe ja damals, in den Siebzigern, doch noch fest an den Sozialismus geglaubt. Das heißt nicht, dass ich mit dem Zustand damals zufrieden war. Ganz und gar nicht. Aber insgesamt habe ich doch damals noch dran geglaubt. Mahatma Gandhi war da ein großes Vorbild von mir. Umso bedauerlicher ist deshalb, dass es wohl zu dieser Gewalt gekommen ist.
Paul Walther, 56, Key Account Manager
Man kannte ja den Biermann nicht bis dahin. Aber der war dann im Fernsehen zu sehen (also im Westfernsehen, das haben wir ja empfangen können), und das war schon auch schöne Musik. Ein bisschen lange Haare hatte der da, der Biermann, fand ich. Aber die Musik, das hat mir schon gefallen, so mit Gitarre. Das war ja für uns unverständlich, wieso der jetzt ausgebürgert wurde, wegen der Musik.
Rolf Mahlke, 81, Rentner
Die Situation war ja damals noch anders. Wie die Häuser da aussahen, da macht man sich kein Bild mehr von. Sicherlich ist auch heute noch das eine oder andere Haus im schlechten Zustand, aber das ist kein Vergleich. Alle Häuser sahen ganz braun oder grau aus. Unser Haus zum Beispiel. Das ist heute gelb, das sieht ganz anders aus. Und da waren früher auch noch die alten Fenster drin, die waren ja undicht, und gerade im Winter zog es da natürlich auch rein. Heute sind ja auch neue Fenster drin, also solche mit einem Plastikgriff.
Irmgard Roguczewski, 69, Hausfrau
In den Achtzigern herrschte ein merkwürdiges Klima. Das kann auch mit den Unruhen zu tun haben, dass die zuvor waren, das kann schon sein. Danach hatten wir das Gefühl, dass die Mauer noch ewig bestehen würde. Als dann der Kohl dafür gesorgt hat, dass die Mauer aufgeht, da war das eine große Überraschung. Das hatte ja niemand zu hoffen gewagt. Auf einmal konnte man in den Laden gehen und dort richtig einkaufen.
Hans-Peter Köhler, 47, KFZ-Mechaniker
Ich gebe zu, dass mir die Bedeutung der Unruhen auch heute noch unklar ist, habe sie auch ehrlich gesagt völlig vergessen, und erst jetzt, wo Sie davon sprechen, meine ich mich wieder daran zu erinnern. Ja, das kann schon sein, diese Krawalle, ich habe sie jetzt nicht vor Augen, aber ja, man war ja auch nicht bereit, alles hinzunehmen. Man hatte ja auch ab und zu eine Wut.
Dr. Martin Sobotka, 53, Privatdozent
Das Schlimme war ja, das alles vertuscht worden ist. Es hat ja niemand was davon mitbekommen.
Margot Lörke-Seydewitz, 69, Lehrerin
Wenn ich mich richtig erinnere, wurde ein Bekannter von mir, also kein Bekannter in dem Sinn, sondern ein Bekannter von Freunden, bzw. von jemandem, den mein Schwager von der Arbeit kannte, damals verletzt, wahrscheinlich von der Volkspolizei. Die Vopos waren ja nicht zimperlich.
Ilse Tellkamp, Rentnerin, 77
Die Reudnitzer Unruhen – Orte des Geschehens
Plätze als Zeugen der historischen Wirklichkeit
Die Reudnitzer Unruhen – Die Exponate
Ein stummes Zeugnis der Vergangenheit
Das Fehlen schriftlicher Überlieferung erschwert die Erforschung und die Erinnerung an die Niederschlagung der Reudnitzer Unruhen, die im Januar 1977 den Stadtteil im Leipziger Osten erschütterten. Um so wichtiger sind die Fundstücke und Überreste der Ausschreitungen. Können sie nicht erzählen, wie es war, so legen sie doch auf ihre ganz eigene, stumme Art, ein beredtes Zeugnis der Ereignisse ab. Sie stehen dafür ein, dass dieses Verbrechen stattgefunden hat, und sie sind Grundlage unserer Erinnerung daran.
Dass die meisten der Ausstellungsstücke überhaupt erhalten sind, verdanken wir Peter Körneff, der sie sammelte und vor der Sprengung des damaligen Leipziger Stadtarchivs 1981 unter dem Vorwand, es handele sich um Unikate sächsischer Handwerkskunst, an das Historische Heimatmuseum Grimma verschenkte, um sie so vor der Vernichtung durch Organe des repressiven Staates zu beschützen.
Die Ausstellung über die Reudnitzer Unruhen wäre ohne bestimmte Stücke aus dieser Sammlung nicht denkbar. Das Herzstück und wohl das beklemmendste Exponat, der „Unterschriftenordner Findeisen“, stammt aus dieser Sammlung. Der Inhalt des Ordners ist fort, oder es hat ihn nie gegeben, und somit scheint es, als wäre er eine Metapher für die Erinnerung: Sie ist leer, wir müssen sie immer wieder von Neuem füllen – Erinnern als aktiver Vorgang, als Pflicht eines aufgeklärten Staatsbürgers.
Zugleich zeugt die Abwesenheit der Unterschriften in dem Ordner auf anrührende Weise von den Opfern und ihrem Verschwinden aus der Erinnerung.
Ein weiteres wichtiges Stück ist zweifelsohne die unleserlich beschriftete Streichholzschachtel. Es ist Jessica Dörbe, einer Mitarbeiterin des Historischen Heimatmuseums Grimma, zu verdanken, dass dieses Exponat sich heute noch in einem so guten Zustand befindet. Stark angegriffen vom Winter 1977 konnte es im Stadtarchiv nicht sachgerecht gelagert werden. Peter Körneff verzichtete damals auf eine Restauration des Stücks, um nicht die Aufmerksamkeit seiner Kollegen auf die Stücke zu lenken, die er unter falscher Beschriftung eingelagert hatte. Jessica Dörbe nahm sich 2005 des Stücks an und restaurierte es außerhalb ihrer eigentlichen Arbeitszeit. Auch verdanken wir ihr das schnelle und unbürokratische Zustandekommen dieser Ausstellung.
Andere Exponate dieser Ausstellung stammen aus dem Privatbesitz der Reudnitzer Bevölkerung. Dr. Günther Mensurian stieß bei seinen Nachforschungen auf die Stücke, untersuchte sie und reinigte sie, um nun einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nicht unwesentlich sind auch die Stücke aus dem Archiv für Geschichte und Gegenwart Leipzig. Dafür danken wir dem Leiter des Archivs, Prof. Dr. Hans Kleinert, herzlich. Dank gilt auch dem Gartenbaumuseum Schkeuditz, in dessen Besitz sich unter anderem die „Tetzlaf-Klemme“ befindet, ebenso wie dem neuen Stadtarchiv Leipzig.
Zu danken ist zudem den Reudnitzern, die für Dr. Mensurian ihre Privatarchive öffneten und die Gegenstände für diese Ausstellung gaben. Damit setzen sie in besonderem Maße ein Zeichen gegen das Vergessen der schrecklichen Vorfälle in diesem Stadtteil und geben uns die Hoffnung, dass sich ein so finsteres Kapitel der deutschen Geschichte in der Zukunft nicht wiederholen werde.
Mit freundlicher Unterstützung der Stiftung für Zeitgeschichte und Integration des Landes Baden-Württemberg