Freitag, 30. Oktober 2009
Das Verschwinden des St.-Helena-Nachtreihers
Donnerstag, 29. Oktober 2009
Voraussetzungen / Rechtfertigungen II
Voraussetzungen / Rechtfertigungen I
Und wenn ich einiges berichten sollte, das ich nicht selbst mit angesehen habe oder das ich zwar mit angesehen habe, dessen ich mich aber nicht genau erinnere, oder von dem ich zwar gehört habe, aber nur durch unterschiedlichste Erzählungen von unterschiedlichen Leuten, so werde ich stets aufgrund der überaus langen Erfahrung, die ich mit den allermeisten Geschehnissen habe, entsprechende Vermutungen anstellen, die wie ich meine, mit größter Wahrscheinlichkeit der Wirklichkeit am nächsten kommen.
Das Verschwinden des Rodrigues-Sittichs
Mittwoch, 28. Oktober 2009
Dienstag, 27. Oktober 2009
Wir sind die Tiger der Nacht die Widersacher im Licht die Hammerschläge wir sind die Fensterspringer die Lüütis das Gartentor in Grimma wir sind die Hornträger zur Sonne Helmut Kohl die elektrischen Tiere wir sind die Balz wir sind die Innenausstattung wir sind Erika Zahn wir sind das Megafon wir sind das Gewölle wir sind die Informer wir sind die Geräte wir sind die Jungaufzucht wir sind Jens Arnoscht die Industrialisierung wir sind die Toten wir sind der Sturm wir sind der Fernwind wir sind die Kopfnüsse wir sind blöd aber frech wir sind die Helmkasuare wir sind die Hasen im Kraut wir sind die Koordinaten
Montag, 26. Oktober 2009
Und da waren sie wieder, die Unbemerkten, wir bemerkten sie nicht, aber da waren sie wieder, die Unbemerkten, und wie sie stampften und schabten und wie sie sich leise kratzten, und wie sie den Wein tranken, der noch gut war und rot, und wie sie sich bewegten und aufwarfen und schüttelten vor Trotz - gut schmeckte der Wein, wie gross sie geworden waren, so voll und gut und warum wir sie nicht bemerkten, sie waren so ganz, so schön, sie waren die Unbemerkten, wir konnten nichts tun.
Liebe Grüsse!
Es grüssen Herr und Frau Stein, die Gebrüder Haufen, die geehrten Herren Bürsten, die froh versammelten Schwestern Spangen – aus Tuggen, Onkel Reich aus Spanien! die hinkend abgereisten Cousinen, Familie Wohlgemut, die noch nicht verstorbene Tochter Hildegard, der fahle Sohn, die Geschwister Zangen, Frau Ländi, der Abtrünnige, Tante Erika Zahn und der Erstklässler Willibald Ei. Auch grüsst unser Freund Joachim Fichte, den wir ja alle noch kennen, von früher nämlich! Es grüsst euch innig, Euer Adalbert Spichtig.
Ich sehe
die Hasen, echte Hasen
wie es nach außen hin aussieht, aber nach innen hin wirklich ist
wie Jens und Marina und Björn aufstehen
hier und da
wie sie gemeinerweise noch immer ausharren. Hier. Es ist ihnen nicht zu verübeln
und da -
warum steht er da noch?
von weiter hinten die Häuser und Rufe
die unterschiedlichen Orte der Menschen
drinnen hat Frau Sack schon alles gewischt
Paz
Cordula Stiefel
Der Nachtwächter
Fünf Muni
Mittwoch, 21. Oktober 2009
Herzlich willkommen in der Harmoniumfabrik
Wir befinden uns in der Harmoniumfabrik. Es geht uns gut.
Die Belegschaft der Harmoniumfabrik steht in einer Reihe, Schulter an Schulter. Jetzt ist die Zeit gekommen!, ruft einer aus der Reihe heraus. Die anderen drehen die Köpfe leicht zur Seite und in seine Richtung. Sie schauen hinter den Köpfen der anderen zu dem Rufer hin, an den Hälsen der anderen vorbei, den Haaren und den Krägen. Der Rufer ist verstummt,
seine Augen nun als einzige auf das Fenster gerichtet
und das Panorama das vor dem Fenster liegt.
Montag, 19. Oktober 2009
Freitag, 16. Oktober 2009
Antigone Weesendahl
Spiele (Auswahl)
1992 Die Katzen des Hermetikers
1993 Olpavlo (abstraktes Würfelspiel)
1994 Angriff und Verteidigung Hohenlohes
1998 Centurio (Kartenspiel)
2003 Rückkehr ins Abendland
2006 Die Belagerung
2007 Die Belagerung – Bürgerwehr, U-Boote und Omnibusverkehr (Erweiterung)
2008 Die Belagerung – Der dritte General (Erweiterung)
Donnerstag, 15. Oktober 2009
Vor sechs Tagen saß ich in meinem Zimmer am Tische, gebückt über ein Gedicht, dass drei Zeilen haben sollte, aber ich hatte erst eine geschrieben. Sie lautete: "Die Schwalben in den Bäumen". Eben hatte ich diese noch leichter Hand geschrieben, eben war ich geküsst gewesen von den Musen, so war nun dieser glückliche Moment vorbei und meine Hand wie Blei, es gab kein Vor, aber es gab auch kein Zurück, und ich blickte auf: Vor dem Fenster fuhren die vier apokalyptischen Reiter in einem Großraumtaxi vorüber.
Vor fünf Tagen, als ich mir mit der Pinzette ein Haar vom Rücken entfernte, fiel mir plötzlich der Moment meiner Geburt ein: Damals, in jenem Augenblick, öffnete sich die Welt für mich zwischen den Beinen meiner Mutter, ich platzte hervor in die Kälte, wie eine Blüte, die die Knospe sprengt im Frühling, und als ich da lag, schrie ich, und ja, es war dieses Schreien, das mir plötzlich wieder einfiel, und ich fragte mich, warum habe ich dies seitdem nie wieder getan?
Vor vier Tagen aß ich eine Bulette und trank einen Schluck Apfelsaft aus einem Coke-Glas, und da verschluckte ich mich, und alles kam mir durch die Nase wieder heraus. Als ich mich wieder gesammelt hatte, bemerkte ich, dass der Kuckuck dreimal pfiff.
Vor drei Tagen lag ich im Bett, und ich spürte die Erde unter mir leise beben. Da dachte ich: Wolfram, was machst Du jetzt, wenn sie sich öffnet und Dich einfach verschlingt? Ich wusste es nicht, aber inzwischen ist es mir eingefallen.
Vor zwei Tagen, als ich durch die Stadt ging, flog ein Albatros über meinem Kopf. Ich ging zum Bäcker, und der Albatros flog über meinem Kopf. Ich ging zum Schuster, und der Albatros flog über meinem Kopf. Ich ging zum Sattler, und der Albatros flog über meinem Kopf. Ich ging zum Key Account Manager, und der Albatros flog über meinem Kopf. Da wurde es mir zu viel und ich herrschte den Albatros an: "Albatros, was fliegst Du immer über meinem Kopf?" Da sprach der Albatros: "O Du Undankbarer! Ich fächle Dir Luft zu! Weißt Du denn nicht, dass der Mensch Luft braucht? Wie willst Du leben ohne Luft?" Da begriff ich, dass er Recht hatte, und ich schämte mich für meine gedankenlose Frage.
Vor einem Tag lief ich nackt, nur mit dem roten Schal der Sozialdemokratie bekleidet, durch meine Wohnung, wieder und wieder, und plötzlich fragte ich mich: "Was zum Teufel mache ich hier eigentlich?" Da fiel mir der alte Indianer wieder ein und mir zersprang das Herz im Busen, ich kniete nieder und Tränen fielen aus meinen Augen, ich weinte bitterlich.
Montag, 12. Oktober 2009
Sonntag, 11. Oktober 2009
Letztes Gedicht
PROPHEZEIUNG
alles was ich sagte,
wie sagtest du noch gleich?
gleich!
dann kommt es wieder
du hast mich nicht verstanden, aber
es kommt eine zeit
dahinten
siehst du jetzt was ich meine
in connollys garten am fluss
steht unbeweglich
ein weithin sichtbarer widersacher im licht
Zweites Vogelgedicht von Jens Ludwig
von bäumen zu sprechen
ist gerade jetzt
wenn du willst
um uns über uns nicht zu täuschen
sie reden ja nicht:
die vögel mit
ihren verschiedenen namen
verschiedene auswege
ins nichts.
Freitag, 9. Oktober 2009
und jetzt
letztes gespräch,
mehr
muss nicht passieren
geh jetzt nicht fort von mir, bald
schon wird alles zum gesetz, zum
lied, das niemand hört, nur all jene, die
zu tätern werden, unbesehen
verkehrte gesichter, tatsachen
im schatten, ausnahmen im licht.
Donnerstag, 8. Oktober 2009
Mittwoch, 7. Oktober 2009
EINIGE DINGE HIER
In einem Park etwas unterhalb
des Hochturms fiel mir
eine Kastanie mitten
auf den Kopf und ganz so
wie von der Natur vorgesehen
barst bei dem Aufprall
die Schale und die braune
glänzende Frucht
sprang heraus.
2
Auf dem Friedrichsplatz traf ich
eine ältere Frau, die sich
ein Mobiltelefon verkehrt herum
ans Ohr hielt und rief:
Du, du, bist du zuhause
ich muss dir was sagen, gut
dann rufe ich später
noch mal an.
3
Auf dem Neckar sah ich
zwei Enten schwimmen, sie sahen
genau so aus, wie ich dachte
dass Enten
eben aussehen.
4
Auf der Johannsergasse erzählte mir
ein Mann, in der Stadt
seien in den Jahren 72/73
insgesamt drei Männer
spurlos verschwunden, einer davon habe
so berichte man
zu seiner Frau
bevor er gegangen sei, gesagt:
Heute ist Sonntag
na und.
5
In der Pfisterstraße sah ich
einen überfahrenen Igel.
6
In der Innenstadt las ich
auf einem Schild, dass die Innenstadt
auf Muschelkalk stehe und ich versuchte
mir vorzustellen, wie es wohl sei
auf Muschelkalk zu stehen
als mir einfiel, dass ich ja dann gerade selbst
auf Muschelkalk stehe
was mich aber nicht wesentlich
weiter brachte.
7
Am Stadtgraben sah ich
(da ein Beamter gerade daran zu Gange war)
zum ersten Mal in meinem Leben
das Innere
eines Parkscheinautomaten.
8
Ein älterer Mann in einer Kneipe
erzählte mir, der denkwürdigste
Augenblick in seinem Leben
sei gewesen als ihm im Sommer
1984 auf einer Neckarwiese ein leibhaftiger
Biber in den Mähdrescher
gesprungen sei, aber obwohl
er geschworen habe, dass es so
gewesen sei
habe ihm niemand
niemand
geglaubt.