Donnerstag, 14. Juni 2012

Perineum


Am 14. Februar hatte ich plötzlich einen Einfall, der mich zu einer seltsamen Entdeckung führte. Ich hielt mir in meiner Wohnung in der Holsteinstraße einen kleinen Handspiegel zwischen die Beine und sah einen Ort, von dem ich nichts wusste. Mir war, als hätte ich diesen Ort, der dort zwischen Glied und Anus lag, noch nie zuvor gesehen, oder wenn ich ihn schon mal gesehen hatte, so hatte ich ihn vergessen über die Jahre, weil er nie erwähnt wurde, immer nur vom Glied gesprochen wurde oder vom Arsch, aber niemals von diesem sonderbaren Zwischenort, Perineum genannt, oder Damm, und ich hatte ihn nie gesehen, weil er sich vor den Blicken, die ja aus meinen Augen oben im Kopf herauskommen wie bei jedem, einfach versteckt hatte über all die Jahre.
Und nun sah ich plötzlich diesen Ort zwischen meinen Beinen, eine Landschaft, die dort in der Abgeschiedenheit prächtig zu gedeihen schien. Wälder wuchsen dort, eine zarte, hügelige Landschaft, in der Tiere weideten, zwischen Auen und Bächen. Über all die Jahre hatte man dort wohl auch Straßen gebaut, Siedlungen angelegt, und war zu einem Wohlstand gekommen, zu einer gewissen Blüte, Städte schossen empor. Und wenn man durch diese Städte hindurchging, über Boulevards und Alleen, so bekam ich den Eindruck, als sei die Bevölkerung hier sehr zufrieden, als fehle es an nichts. Ich ging für eine Weile umher und wunderte mich. Nach dem ich einige Zeit durch die Straßen flaniert war, setzte ich mich dort vor einer Eisdiele ins Freie. Am Nebentisch saß eine junge Frau, die Marina hieß und Deutsch als Fremdsprache unterrichtete, wie sich später herausstellte. Ich erzählte ihr, dass ich diesen Ort erst jetzt entdeckt hatte. Marina sagte, es läge wohl daran, dass die Region in den Medien und somit letztlich auch in der eigenen Wahrnehmung einfach vergessen werde, man einfach nicht von ihr spreche, weil sie in gewissem Sinn identitätslos sei. Man spreche eben entweder vom Meer, vom  Pimmel, von den Alpen oder vom Arschloch, aber nicht von etwas, das sich zwischen diesen Gefilden befinde, was touristisch natürlich eine ziemliche Katastrophe sei. Man versuche das jetzt aber zu ändern, indem man sich bemühe, der Region ein eigenes Profil zu geben, es handele sich ja auch um eine äußerst erogene Zone, das werde oft vergessen. Ja, sagte ich, das habe ich schon bemerkt, als ich hier umhergewandert bin, das hat sich sehr gut angefühlt. Genau, sagte Marina, siehst Du!

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